Ohne Klimawende keine gerechte Wirtschaft

Aufruf des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds zum «Strike for Future – Aktionstag für Klimagerechtigkeit, Klimaschutz und sozialen Wandel»

Ohne Klimawende keine gerechte Wirtschaft

 
Die Schweiz ist weltweit einer der grössten Klimaschädiger. Unser Treibhausgas-Fussabdruck liegt pro Kopf bei mehr als dem Doppelten des internationalen Durchschnitts – und dies noch ohne Einbezug der weltweit schädlichen Auswirkungen des Schweizer Finanzplatzes. Der ökologische Umbau ist seit vielen Jahren ein zentrales Anliegen der Gewerkschaften. Gemeinsam haben wir gegen die Strommarktliberalisierung gekämpft und den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie des klimafreundlichen Service public mit vorangetrieben. Entsprechend unterstützen wir nun den Zukunftsstreik vom 21. Mai 2021 und setzen uns gemeinsam mit der Klimastreik-Bewegung und den anderen unterstützenden Organisationen für dessen Gelingen ein.

Die Klimaerwärmung ist letztlich das Resultat einer extrem ungleichen Weltwirtschaftsordnung: Heute sind die reichsten 10% der Welt für über die Hälfte der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Gleichzeitig triff die Klimaerhitzung den ärmeren Teil der Bevölkerung umso mehr, auch in der Schweiz. Denn Arbeitnehmende, die im Beruf immer heisseren Temperaturen und grösseren Naturgefahren ausgesetzt sind, werden zumeist auch schlechter bezahlt. Entsprechend sind KollegInnen dieser Branchen auch abseits der Arbeit stärker exponiert: Etwa, weil sie sich eine zahlbare Wohnung nur in schlechter erschlossenen Randregionen oder aber an lärmigen und schmutzbelasteten Verkehrsachsen in den Agglomerationen leisten können. Deshalb ist klar: Ohne soziale Wende ist die Klimawende niemals zu schaffen, auch in der Schweiz nicht.

«Nachhaltig ist nur ein Wirtschaftssystem, das einen guten Job für alle garantiert und die Umwelt schont. Zusammen können wir den ökologischen und sozialen Umbau anstossen.»

Vania Alleva, Präsidentin Unia

In unserem heutigen Wirtschaftssystem geht die Ausbeutung von Arbeitnehmenden einher mit der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Wir sind aber überzeugt, dass wirtschaftlicher Fortschritt nicht einfach Schadenswachstum bedeuten muss. Vielmehr ermöglicht eine sozial flankierte Energiewende auch eine nachhaltig positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Damit der ökologische Umbau solidarisch vonstatten geht, darf niemand aufgrund der notwendigen strukturellen Veränderungen im Stich gelassen werden. Öffentliche Investitionen braucht es deshalb nicht nur für neue Infrastrukturprojekte, sondern auch für die Aus- und Weiterbildung der KollegInnen in den entsprechenden Branchen. Ziel muss die Schaffung nachhaltiger, gesunder und gut bezahlter Arbeitsplätze sein.

«Gutes Klima und gute Arbeit gehören zusammen. syndicom steht für eine ökologische Wende, die nachhaltig und mit sozialer Gerechtigkeit gestaltet wird.»

Daniel Münger, Präsident syndicom

Die Klimawende ist DAS kollektive Zukunftsprojekt, welches nur gemeinschaftlich und demokratisch ausgehandelt wirksam umgesetzt werden kann.

Zentraler Hebel muss dabei die Stärkung des Service public sein. Historische Vorzeigebeispiele wie der Ausbau des Bahnnetzes und die Schaffung der SBB oder der Bau der Wasserkraftwerke und des Stromnetzes zeigen: Kollektive öffentliche Fortschrittsprogramme sind alternativlos und nachhaltig erfolgreich. In analoger Weise muss nun die Energiewende in Angriff genommen werden. Überliessen wir diese Zukunftsaufgabe privaten Investoren, wäre sie zum Scheitern verurteilt – denn anstatt auf das Gemeinwohl würden diese auf den Profit abzielen.

«Die Klimakrise gefährdet die Lebensbedingungen aller Menschen. Nur mit massiven Investitionen in den umweltfreundlichen Service public können wir die Emissionen rasch senken».

Katharina Prelicz-Huber, Präsidentin Gewerkschaft VPOD

Unsere immer noch zu fast zwei Dritteln auf Erdöl und Gas basierende Energieversorgung ist nicht nur äusserst klimaschädlich, sondern auch volkswirtschaftlich unsinnig. Anstatt viel Geld für fossile Importe auszugeben, sollte die Schweiz möglichst schnell massiv mehr in die Förderung dezentraler erneuerbarer Energien und in den Ausbau des öffentlichen Verkehrs investieren. Beides ist für ein schnelles Erreichen der Klimaneutralität absolut unabdingbar.

Um den CO2-Ausstoss zu senken müssen wir auf den öffentlichen Verkehr setzen. Angebot erweitern und Arbeitsbedingungen verbessern: so bereiten wir eine bessere Zukunkft vor.

Giorgio Tuti, Präsident SEV

Forderungen für eine soziale Klimawende

Im Hinblick auf den Zukunftsstreik vom 21. Mai sowie darüber hinaus formulieren die Schweizer Gewerkschaften daher folgende konkreten  Forderungen für eine soziale Klimawende:

1. Mobilität

Der öffentliche Verkehr muss weiter ausgebaut und stark vergünstigt werden. Daran führt klimapolitisch kein Weg vorbei – das bestätigt gerade auch der Erfolg des in den letzten Jahren immer weiter gestärkten und genutzten Angebots. Denn das Umstiegspotenzial ist weiterhin riesig, entfallen in der Schweiz doch noch immer drei Viertel der zurückgelegten Personenkilometer auf den motorisierten Individualverkehr. Der öffentliche Verkehr funktioniert allerdings nur als Gesamtsystem, mit optimal aufeinander abgestimmten Verkehrsträgern und -​verbindungen. Dieses kann nur durch die öffentliche Hand bzw. die entsprechenden Staatsbetriebe – allen voran die "Systemführer" SBB und PostAuto – erhalten und weiterentwickelt werden.

2. Transport und Logistik

Der Gütertransport muss wo immer möglich auf der Schiene stattfinden – kein Verkehrsträger ist ökologischer, und kein Land kennt ein engmaschigeres Schienennetz als die Schweiz. Die Schwächung und schleichende Privatisierung von SBB Cargo muss daher schleunigst gestoppt und im Gegenteil der flächendeckende Schienengüterverkehr nachhaltig ausgebaut werden. In der Feinverteilung der Paket-​ und Lieferdienste muss baldmöglichst auf Elektromobilität umgestellt werden, und genauso schnell müssen die heute in diesem Sektor oft sehr schlechten Arbeitsbedingungen massiv verbessert werden.

3. Energieversorgung

Auch in der Energieversorgung braucht es mehr Service public. Eine massive landesweite Solaroffensive über die Eigenverbrauchspolitik hinaus, der Ausbau der Fernwärmesysteme und flächendeckende Programme zur Energieeffizienz – das alles sind Investitionsprogramme, die in koordinierter Weise von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie den öffentlichen Energieunternehmen und Verteilnetzbetreibern vorangetrieben werden müssen. Marktöffnungen und Privatisierungen wären hingegen Schritte in die völlig falsche Richtung, da sie dem energetischen Umbau jegliche Planbarkeit entziehen würden.

4. Wohnungswesen

Der Schweizer Wohnungsbestand muss möglichst bald klimaneutral werden. Wohnraum darf aber durch energetische Sanierungen keinesfalls zulasten der MieterInnen verteuert werden (zumal Sanierungen subventioniert werden und energiesparende Heizsysteme danach im Betrieb billiger sind). Gefördert werden muss insbesondere der gemeinnützige Wohnungsbau, auch weil dieser erwiesenermassen mit einem viel geringerem Flächenverbrauch verbunden ist als das Eigenheim. Ebenso vorangetrieben werden muss das verdichtete Bauen und eine Raumplanung der kurzen Wege.

5. Gesundheitsschutz

Verstärkte Massnahmen zum Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden sind dringend. Sie müssen zusammen mit den Gewerkschaften entwickelt werden und in den Branchen rasche Verbesserungen bringen. Da die immer stärker spürbaren Auswirkungen der Klimaerhitzung exponierte Arbeitnehmende am stärksten trifft, ist auch der diskriminierungsfreie Zugang zum Gesundheitssystem unabdingbar. Dieser lässt sich aber nur mit der längst fälligen Einführung einer solidarischen Finanzierung gewährleisten: Weg mit der Kopfprämie!

6. Emissionsmassnahmen

Strenge Emissionsziele, Verbote und Förderstopps müssen im Zentrum der Klimapolitik stehen – denn letztlich ist jede im Boden verbliebene Tonne CO2 mit Abstand der effektivste Klimaschutz. Lenkungsabgaben sind ebenfalls ein wichtiges Mittel, doch müssen diese möglichst vollständig an die Bevölkerung rückverteilt werden. Für das Erreichen des Ziels der Klimaneutralität bis 2050 braucht es gesetzliche Massnahmen, die deutlich über das soeben vom Parlament beschlossene CO2-​Gesetz hinausgehen. Aber zuerst braucht es dieses Gesetz, und damit ein klares Ja in der Volksabstimmung vom 13. Juni.

7. Kurze Wege

Im näheren Zusammenführen von Wohnen und Arbeiten steckt viel Potenzial für den Klimaschutz und die Lebensqualität der Bevölkerung. Keineswegs dürfen dabei aber die Arbeitsbedingungen verschlechtert werden, vielmehr müssen die Arbeitnehmenden in die Gestaltung neuer Arbeitsprozesse eng miteinbezogen werden und Entscheidungsfreiheiten erhalten.

8. Innovation und Weiterbildung

Berufs-​ und Weiterbildungen in der Energiewirtschaft, Forschungsarbeiten in Schlüsseltechnologien und Umschulungen für Arbeitnehmende in emissionsintensiven Bereichen müssen mit Unterstützung der öffentlichen Hand intensiviert werden. Die Schweiz muss international zu einem "Kompetenzzentrum" für erneuerbare Energien und klimaverträgliche Technologien werden – daran hängen Tausende Arbeitsplätze.

9. Internationales Engagement

Eine aktive Beteiligung der Schweiz an den internationalen Anstrengungen gegen die Klimaerhitzung ist unabdingbar. Auch müssen technologische Innovationen durch internationale Forschungskooperationen vorangetrieben werden. Aber vor allem muss sich die Schweiz endlich darum kümmern, ihren horrenden, ins Ausland ausgelagerte Klima-​Fussabdruck (der bisher von den beschlossenen Klima-​Massnahmen kaum erfasst wurde) baldmöglichst ebenfalls auf "netto Null" zu senken. Das betrifft neben den grauen Emissionen beim Güterimport insbesondere die weltweit immer noch katastrophale Klimabilanz des Schweizer Finanzplatzes, der mit wirksamen Regulierungen endlich nachhaltig "dekarbonisiert" werden muss.

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Ja, ich unterstütze die gewerkschaftlichen Forderungen für eine soziale Klimawende und möchte darüber auf dem Laufenden gehalten werden!
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