15 Jahre Finanz- und Bankenkrisen: Die Feuerwehrrolle der Zentralbanken in der wirtschaftsliberalen Politik ist nicht nachhaltig. Es braucht eine tiefergehende Neuorientierung.

Blog Daniel Lampart

Die neue CS/UBS hat den Kredit der Nationalbank SNB schon stark angezapft. Darauf weisen die Sichtguthaben der SNB hin, die um 52 Milliarden Franken gestiegen sind. Die SNB hilft einmal mehr, ein grösseres Marktversagen zu korrigieren. Wie alle grossen Zentralbanken in den letzten rund 15 Jahren. Eine systemgefährdende Krise folgte in dieser Zeit auf die andere. Und jedes Mal standen die Zentralbanken bereit, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Die Bilanzsumme der SNB ist deshalb heute acht Mal grösser. Die US-Zentralbank, die Federal Reserve Bank Fed, ist sogar um den Faktor zehn gewachsen.

15 Jahre Systemkrisen sollten in den Zentralbanken und in der Politik Anlass für grundsätzliche Überlegungen sein. Bisher wurde jedes einzelne Krisenereignis als einzigartig dargestellt. Doch mittlerweile haben sich so viele Krisen und Rettungsaktionen ereignet, dass die verschiedenen Probleme wohl mehr als Pech und Zufall sind.

Die SNB gab im Geschäftsbericht 2022 bekannt, dass sie das geldpolitische Konzept einer «umfassenden Überprüfung» unterzogen hat. Das Fazit der SNB hinterlässt einen aber sprachlos: Das Konzept hätte sich nämlich bewährt. Die SNB macht neu einzig explizit, was sie seit langem tut. Neu schreibt sie im überarbeiteten Konzept nämlich, dass sie den Wechselkurs und das Zinsniveau auch mit anderen Massnahmen als mit dem Leitzins beeinflussen kann.

Doch bevor wir uns überlegen, was denn der geld- und wirtschaftspolitische Handlungsbedarf sein könnte, machen wird doch kurz einen Rückblick auf die grössten Krisen der letzten 15 Jahre:

  • Im September 2008 brach die Bank Lehman Brothers zusammen. Im Oktober 2008 musste die UBS gerettet werden, um eine Systemkrise zu verhindern. Und weil die Banken einander kaum mehr Geld liehen und dadurch die Systemstabilität gefährdet war, sprangen die Zentralbanken ein und gewährten Liquiditätshilfen.  
  • Im Dezember 2008 hatte die Fed den Leitzins bereits auf Null gesenkt. Wegen der tiefen Teuerung und den tiefen Zinsen vor der Krise war das klassische geldpolitische Instrument der Senkung der Kurzfristzinsen schnell ausgeschöpft. Die Fed begann, für Hunderte Milliarden Dollar Hypotheken und Obligationen zu kaufen, um die Langfristzinsen zu senken.
  • 2009 brachen die Immobilienmärkte in Ländern wie Spanien oder Irland ein. Viele Banken kamen in Schieflage. Das löste ein fundamentales Misstrauen in den Zusammenhalt der Eurozone aus. Weil die Verantwortlichen bei der Einführung des Euro bewusst auf einen Finanzausgleich verzichteten, musste auch die Europäische Zentralbank EZB intervenieren. Sie begann für Hunderte von Milliarden Euro Obligationen zu kaufen.
  • Die grosse Verunsicherung über die Zukunft des Euros löste Anfang 2010 eine Flucht in den Franken aus. Der Franken wertete sich auf. Die SNB liess durchblicken, dass sie eine Aufwertung des Frankens zulassen wird, was die Flucht in den Franken noch verstärkte. Als die Aufwertung aus dem Ruder lief, kaufte die Nationalbank Euro gegen Franken («Devisenmarktinterventionen»). Die SNB-Bilanz stieg durch die Devisenkäufe auf das dreifache Niveau vor Ausbruch der Finanzkrise. Im September 2011 führte sie schliesslich den Mindestkurs von 1.20 Fr./Euro ein, was die Lage beruhigte.
  • Nach der Aufhebung des Mindestkurses im Januar 2015 geriet der Franken immer wieder unter Aufwertungsdruck, u.a. weil die SNB die Devisenmarktteilnehmer im Unklaren liess, was sie genau wollte. Die SNB musste in der Folge regelmässig auf den Devisenmärkten intervenieren. Die SNB-Bilanz verdoppelte sich bis 2022 beinahe.
  • In der Covid-Krise sicherten die Zentralbanken die Liquidität im Finanzsystem. Um eine folgenschwere Kreditklemme zu verhindern, kaufte vor allem die Fed in den USA in enormem Masse Obligationen. Die Fed-Bilanz verdoppelte sich nahezu – von vier auf acht Billionen.
  • Im März 2023 wankten Banken in den USA – und die CS in der Schweiz. Wieder mussten die Fed und die SNB Liquidität zur Verfügung stellen, um Schlimmeres zu verhindern.

Der Rückblick zeigt: Die grossen Krisen und der enorme Stabilisierungsbedarf durch die Zentralbanken erfordern eine eingehende Analyse - und entsprechende Massnahmen. Nicht nur in der Geldpolitik, sondern in der Politik und in der Art und Weise, wie wir wirtschaften. Die Zentralbanken mussten oft einspringen, weil sich die Politik aus der Verantwortung stahl. Und die so genannte «Unabhängigkeit» der Zentralbanken – ein wirtschaftsliberaler Glaubenssatz - war für die wirtschaftsliberale Politik wunderbar bequem. Weil sie den Zentralbanken nichts sagen darf, hat sie auch keine Verantwortung für das, was diese tun.

Die Krisen der letzten Jahre zeigen in mancherlei Hinsicht, was sich ändern sollte. Gleichzeitig sind viele wichtige Fragen aber noch nicht einmal richtig gestellt, geschweige denn beantwortet.

Eine eher einfache Massnahme betrifft die klassische Geldpolitik. So ist es besser, wenn die Zentralbanken etwas mehr Teuerung zulassen. Dann sind die Zinsen etwas höher und der Nullzins ist in der Krise weniger schnell erreicht. Die Fed und EZB haben ihre Teuerungsziele deshalb etwas erhöht. Die Bankenkrisen zeigen auch, dass es eine bessere Regulierung braucht. Ob es allerdings mit mehr Kompetenzen für die Finma und mehr Eigenkapital getan ist, ist fraglich. Die Verwerfungen der letzten 15 Jahre weisen darauf hin, dass das Banken- und Finanzsystem in der heutigen Form nicht stabil ist. Die Bereitschaft, hier grundsätzliche Fragen zu stellen, ist momentan aber noch gering. Das liegt auch daran, dass die Zentralbanken selber eine wirtschaftsliberale Voreingenommenheit haben und zu wenig kritisch sind.

Schliesslich muss sich die Politik auch die Frage nach der Rolle und der so genannten «Unabhängigkeit» der Zentralbanken stellen. In der Schweiz gilt die SNB mittlerweile in vielen Kreisen sogar als «unfehlbar». Eine Diskussion über die Rolle der Geldpolitik und der SNB wird von vorherein als Tabuthema abgeklemmt. Es gibt hierzulande kaum AkteurInnen, welche sich öffentlich mit der Rolle der Geldpolitik im wirtschaftspolitischen Kontext beschäftigen. Obwohl das Land sonst in vielen Bereichen eine ausgeprägte demokratische Tradition hat.

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