2022 sinken die Reallöhne um rund 2 Prozent. Es braucht daher substanzielle Lohnerhöhungen. Die Entwarnungsversuche mit positiven Reallohnschätzungen von Credit Suisse und NZZ sind irreführend

Blog Daniel Lampart

Die Teuerung von über 3 Prozent, der Krankenkassen-Prämienschock im nächsten Jahr und die höheren Strompreise belasten die Haushaltseinkommen stark. Alles halb so schlimm, verkünden die Credit Suisse und die NZZ. Die Schweiz sei eine "Insel der Glückseligen". Die Lohnsumme würde gemäss den Seco-Zahlen mit 6.2 Prozent wachsen, was deutlich über der Teuerung liegen würde. Selbst unter Berücksichtigung des Stellenwachstums von 3.1 Prozent gäbe es keinen Kaufkraftverlust. Die meisten Arbeitnehmenden reiben sich die Augen. Denn sie können da nicht mitgemeint sein.

Fakt ist: Bei den Lohnstatistiken hat die Corona-Krise für ein ziemliches Durcheinander gesorgt. Im ersten Halbjahr 2021 waren mehrere Hunderttausend Arbeitnehmende in Kurzarbeit. Das Kurzarbeitsgeld wird in der oben erwähnten Lohnsumme nicht eingerechnet. Korrigiert man die Lohnsumme um die Kurzarbeit, sieht es anders aus. Dann dürfte der Durchschnittslohn pro ArbeitnehmerIn im ersten Halbjahr um nominal ungefähr ein Prozent gewachsen sein. Real resultierte somit ein Rückgang.

2022 dürften die Nominallöhne gemäss den Schätzungen aus der GAV-Lohnrunde vom letzten Jahr um etwas weniger als 1 Prozent steigen. Bei einer Teuerung von rund 3 Prozent bedeutet das real ein Minus von rund 2 Prozent. Das zeigen auch andere Statistiken, die mittlerweile vorliegen. Sie zeigen, dass die Reallöhne sinken:

  • Die AHV-Lohnsumme stieg von Januar bis August um 2.9 Prozent (gegenüber dem Vorjahr). Die Zahl der Vollzeitstellen um 3.1 Prozent. Das würde einem leichten Rückgang der Nominallöhne von 0.2 Prozent und der Reallöhne von rund 3 Prozent entsprechen Die AHV-Beiträge enthalten auch die Bonuszahlungen und die höheren Kaderlöhne.
  • Die relativ aussagekräftige UBS-Umfrage ergab für 2022 ein Nominallohnwachstum von 0.8 Prozent.
  • Die KOF ETH machte im März eine Firmenumfrage in Bezug auf die Lohnerhöhungen «in den nächsten 12 Monaten». Diese ergab ein Nominallohnwachstum von 1.6 Prozent.
  • Der BFS-Lohnindex, der durch Corona verzerrt wurde, erhöhte sich gemäss einer ersten BFS-Schätzung um nominal 2 Prozent.

Eine Insel der Glückseligen schaut anders aus. Es braucht Lohnerhöhungen von 4 bis 5 Prozent. Die ersten Verhandlungsergebnisse gehen immerhin in die richtige Richtung. Es gibt einen Teuerungsausgleich und in den meisten Fällen eine Reallohnerhöhung.

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