Arbeitzeitverkürzungen: Seit 30 Jahren nur noch zu Lasten der Arbeitnehmenden. Die Arbeitgeber beteiligen sich nicht mehr

Blog Daniel Lampart

In den Medien sind in letzter Zeit laufend Artikel zu Arbeitszeitverkürzungen erschienen. Die Realität ist eine andere. Arbeitgeberkreise wollen im Parlament die Arbeitszeiten auf Kosten der Ruhezeiten verlängern. Und in den Betrieben gab es letzmals vor 30 Jahren spürbare Arbeitszeitverkürzungen, an denen sich die Arbeitgeber beteiligt haben. Seither sind die Arbeitnehmenden auf sich alleine gestellt. Wer es sich leisten kann, geht in Teilzeit. Auf eigene Kosten - mit Lohneinbussen.

Fast im Monatstakt git es Parlamentsvorstösse aus Arbeitgeberkreisen, welche Arbeitszeiten verlängern bzw. die Erholungs- und Ruhezeiten im Arbeitsgesetz verkürzen wollen. Sie wollen Nacht- und Sonntagsarbeit ausweiten – neuerdings auch mit dem Vorwand der Energiemangellage.

Politisch müsste es jedoch in die Gegenrichtung gehen. Die Lage der Arbeitnehmenden in den Firmen gibt Anlass zur Sorge. Das geben selbst die Arbeitgeber in Umfragen zu. Knapp 30 Prozent der Schweizer Firmen sagten im Rahmen der ESENER-Umfrage, dass bei ihnen lange und irreguläre Arbeitszeiten ein Gesundheitsrisiko sind – Tendenz steigend. Und rund 60 Prozent der Firmen machen sich Sorgen über den Zeitdruck bei ihren Mitarbeitenden.

Firmen mit gesundheitlich riskanter Situation bei den Arbeitszeiten und der Arbeitsbelastung (Selbstdeklaration, Anteil in Prozent)

Viele Berufstätige reduzieren daher ihr Arbeitspensum – sofern sie es sich finanziell leisten können. Ein anderer, wichtiger Grund für Teilzeitarbeit sind Kinder oder andere Betreuungspflichten. Eine Vollzeitstelle ist für viele Berufstätige mit Betreuungsaufgaben angesichts der hohen Arbeitszeiten in der Schweiz und der ungenügenden finanziellen Unterstützung von Kita-Plätzen durch die öffentliche Hand nicht möglich.

Die Arbeitgeber haben sich in den letzten 30 Jahren jedoch kaum mehr an der Arbeitszeitverkürzung beteiligt. Bis 1990 reduzierten sie die betriebsübliche Arbeitszeit alle 10 Jahre um 1 bis 2 Stunden – bei gleichem Lohn. Seither müssen die Arbeitnehmenden die Arbeitszeitverkürzungen selber bezahlen– mit Teilzeit und weniger Lohn. Die Arbeitgeber haben sich daraus verabschiedet. Der Teilzeitanteil ist von 1991 bis 2020 von 25 auf 37 Prozent gestiegen. Bei den Männern hat er sich sogar verdoppelt. Viele können sich die Teilzeit aber finanziell nicht leisten.

Veränderung der betriebsübl. Arbeitzeit - Betriebsübliche vs. tatsächliche Arbeitszeit

Mittlerweile ist fast jede dritte berufstätige Person «ziemlich» oder «sehr» erschöpft. Das ist nicht nur für die Betroffenen eine leidvolle Entwicklung. Sondern psychische und körperliche Belastungen verursachen auch Gesundheitskosten. Diese zahlen vor allem die Arbeitnehmenden und die Allgemeinheit, weil die Arbeitgeber keinen Beitrag an die Krankenversicherung zahlen müssen. Schätzungen zeigen, dass die stress- und arbeitsbedingten Gesundheitskosten mehrere Milliarden Franken betragen.

Arbeitgeberkreise argumentieren, dass die Verlängerung der Arbeitszeiten bzw. die Verkürzung der Erholungs- und Ruhezeiten im Arbeitsgesetz die Vereinbarkeit von Beruf- und Familie erleichtern würde. Indem Eltern beispielsweise nach einem strengen Tag erneut am Computer arbeiten, wenn die Kinder endlich im Bett sind. Angesichts der strengen 70h-Woche von Eltern mit Kindern zwischen 0 und 14 Jahren ist diese Vorstellung ziemlich weltfremd. Die meisten Eltern sind heutzutage froh, wenn sie endlich mal eine Stunde für sich haben.

 

 

Top