Ausländeranteil in den Städten Basel und Zürich 1910 höher als 2020 - was können wir daraus lernen?

Blog Daniel Lampart

Spätestens seit die SVP ihre neuste Kündigungs-Initiative («Nachhaltigkeits-Initiative») eingereicht hat, ist Diskussion über die Schweizer Migrationspolitik wieder neu lanciert. Neu ist, dass sich auch der Economiesuisse-Präsident mit migrationskritischen Äusserungen einmischt. Angesichts dieser migrationskritischen Haltungen ist ein Blick in die Geschichte interessant. 

Vor der Industrialisierung war die Schweiz ein Auswanderungsland. Aus wirtschaftlichen Gründen verliessen viele ihre Heimat um in Amerika eine bessere Existenz aufzubauen. Das änderte sich ab Mitte der 19. Jahrhunderts. Neben Flüchtlingen kamen zunehmend ArbeitsmigrantInnen in die Schweiz. Der Ausländeranteil verfünffachte sich bis ins Jahr 1910 von knapp 3 auf über 15 Prozent. In Städten wie Zürich oder Basel war der Anteil der EinwohnerInnen ohne Schweizer Pass zu Beginn des 19. Jahrhunderts sogar höher als im Jahr 2020. Interessant ist, dass die politische Elite damals nicht Beschränkungen der Einwanderung forderte. Sie wollte mehr einbürgern, weil sie den hohen Ausländeranteil vor allem als ein Gefahr für die Demokratie wahrnahm. 

Anteil AusländerInnen an der Wohnbevölkerung: Städte Zürich und Basel

Die Rolle des Zulassungssystems für die Einwanderungszahlen wird in der Regel überschätzt. Bereits ein Vergleich der Einwanderungsstatistiken für verschiedene Länder zeigt, dass das Zulassungssystem zu keinen wesentlichen Unterschieden bei den Einwanderungszahlen führt. Das bestätigte auch der frühere oberste Migrationsbeamte Staatssekretär Mario Gattiker. Vor der Personenfreizügigkeit wurden «die Kontingente stets der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt angepasst, eine Begrenzung der Zuwanderung gab es nicht“ (NZZaS, 14. August 2018). Was man mit den Zulassungssystemen hingegen steuern kann und steuern muss, ist die „Qualität“ der Migration. Nämlich die Arbeitsbedingungen, die Rechte in Bezug auf Aufenthalt und sozialer Sicherheit sowie die Qualifikation.

Die Höhe der Einwanderung ist eine Folge der Wirtschaftslage, sowie der Internationalisierung der Wirtschaft und der Verbreitung des Internets bei der Stellensuche. Vor dem Jahr 2000 musste man lokale Zeitungen kaufen, um zu erfahren, welche Stellen ausgeschrieben sind. Nach dem Jahr 2000 hat sich der Stellenmarkt ins Internet verlagert, so dass die offenen Stellen weltweit sichtbar wurden. Die EU hat die Personenfreizügigkeit bereits 1993 eingeführt. Die Schweiz erst 2002/4. Doch die Immigration ist in den Niederlanden und in Dänemark in den letzten 20 Jahren stärker gestiegen. Australien mit einem Punktesystem verzeichnete eine ähnliche Entwicklung.

Einwanderung (Anteil an der Wohnbevölkerung in Prozent)

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