Begrenzter Spielraum der Nationalbank bei den Negativzinsen: Es braucht ein Umdenken in der Schweizer Geldpolitik

Blog Daniel Lampart

Das Gehabe der US-Regierung stresst die Akteure auf den Finanzmärkten. Am 9. April musste der US-Präsident eine 90-tägige Zollpause verkünden, nachdem sich eine Flucht aus dem Dollar anzubahnen drohte. Die Druckversuche auf die US-amerikanische Zentralbank gestern sorgte für neuen Stress. Ein beliebtes Fluchtziel in Stressphasen auf den Finanzmärkten ist der Schweizer Franken. Dieser wertete sich jedes Mal auf. Letztmals seit Anfang April sowohl gegenüber dem Dollar als auch gegenüber dem Euro. 

In den letzten rund 20 Jahren erlitt der Franken mehrere schockartige Aufwertungen in Krisen. Vor Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2007 musste man 1.65 Franken pro Euro zahlen. Im Sommer 2011 waren es dann nur noch etwas mehr als 1 Franken. Der Franken wertete sich nach der Finanzkrise, der Euroschuldenkrise und der fatalen Kommunikation der Nationalbank im Jahr 2010 weitgehend unkontrolliert auf. Heute ist er bei rund 92 Rappen pro Euro. Im Unterschied zur Zeit vor der Finanzkrise weiss niemand richtig, wo die SNB den Franken haben möchte. Damals waren Kursgrenzen von 1.50 und 1.45 Franken/Euro durch eine kluge Zinspolitik und Kommunikation der SNB im Devisenmarkt gut verankert.

Was tut die SNB, wenn der Franken wieder unter Aufwertungsdruck gerät? Der SNB-Leitzins ist mit 0.25 Prozent fast bei null. Die Zinsen für 1 bis 2 Jahre sind bereits negativ, weil die Akteure auf den Finanzmärkten davon ausgehen, dass die SNB wieder Negativzinsen einführen wird. Bisher ging die SNB nie tiefer als -0.75 Prozent. Studien gehen davon aus, dass Negativzinsen von -1 bis -2 Prozent dazu führen, dass die Leute auf Bargeld und andere Aktiva ausweichen. Dann würde nicht nur die Geldpolitik viel weniger wirksam, sondern es würden sich grundsätzliche Franken der Finanzstabilität stellen. Devisenmarktinterventionen wären weiterhin wirksam, doch die SNB spürt einen politischen Druck, die Bilanz nicht noch grösser werden zu lassen. 

Eine neue Studie der SNB zeigt, dass das Zinsniveau heute in einer durchschnittlichen konjunkturellen Situation real bereits bei null liegt. Im Unterschied beispielsweise zur Zeit vor der Finanzkrise mit einem konjunkturneutralen Realzinsniveau von 1.5 Prozent. Zu den Ursachen für dieses tiefe Zinsniveau gibt es verschiedene Meinungen. Sicher ist, dass die Schweiz zu viel spart und zu wenig investiert. Die steigenden Kapitalien der Pensionskassen, der Vermögensaufbau des Staates und die Spartätigkeit der Privathaushalte führen zu einem Ungleichgewicht und zu entsprechend tiefen Zinsen. Zudem ist die Teuerung in der Schweiz kaum mehr existent, was ebenfalls zu tiefen Nominalzinsen führt. 

Die Negativzins-Untergrenze von -1 bis -2 Prozent rückt in der Krise deshalb näher und näher. Die SNB hat in der Studie untersucht, wie oft diese Untergrenzen erreicht würden. Die Ergebnisse sind besorgniserregend. Beim gegenwärtigen Zinsniveau hätte die SNB ungefähr alle 4 bis 6 Jahre das Problem, dass die Negativzinsen an den Untergrenzen von -1 bis -2 Prozent anschlagen würden. Das bedeutet, dass sie die Zinsen in den Krisen nicht mehr ausreichend senken könnte, um Arbeitslosigkeit und Deflation zu verhindern. 

Wahrscheinlichkeit, dass die Negativzinsen -1 oder -2% erreichen - abh. vom konjunkturneutralen Realzins r*

Die SNB sollte deshalb ihre Geldpolitik zu überdenken beginnen. Die Schweiz braucht wieder etwas mehr Teuerung, damit es ausreichend Spielraum gibt, in den Krisen die Zinsen zu senken. Zusätzlich muss die SNB den Akteuren auf den Finanzmärkten wieder mehr Sicherheit in Bezug auf den Frankenkurs geben. Wie das vor der Finanzkrise mit den informellen Untergrenzen von 1.45 bis 1.50 Fr./Euro der Fall gewesen ist. Dann gehen die institutionellen und privaten AnlegerInnen wieder mehr Fremdwährungsrisiken ein, was etwas Druck von der SNB wegnimmt. Der Aufwertungsdruck auf den Franken ist weniger stark, wenn die SchweizerInnen mehr Fremdwährungen halten. 

 

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