Der Bundesrat hat die im Abkommen mit der EU ausgehandelte «Schutzklausel» zur Personenfreizügigkeit als Erfolg präsentiert. Bürgerliche Parteien spielen nun mit dem Gedanken, aus der Schutzklausel einen Gegenvorschlag zur 10-Millionen-Schweiz-Initiative der SVP zu machen. Ob ein solcher Gegenvorschlag eine positive Wirkung hat, ist fraglich. Denn ein solches Konstrukt wäre umständlich und unwirksam.
Mit der Schutzklausel orientiert sich der Bund am früheren Kontingentssystem, das er im Jahr 2002 beerdigt hat, weil es mehr schlecht als recht funktionierte und viele Probleme mit sich brachte. Es galt als bürokratisch, innovationshemmend und es förderte prekäre Arbeit.
Die Einwanderung in die Schweiz folgt vor allem der Konjunktur. Wenn die Wirtschaft wächst und die Arbeitslosigkeit tief ist, rekrutieren die Arbeitgeber vermehrt Personal aus dem Ausland. In Rezessionen geht die Einwanderung zurück.
Damit die Schweiz die Schutzklausel anrufen kann, muss das Land ernsthafte wirtschaftliche oder soziale Probleme haben. Das sind Phasen, in denen die Einwanderung jeweils bereits konjunkturbedingt zurückgeht.
Die früheren Erfahrungen mit Kontingenten haben gezeigt, dass die Firmen diesen ausweichen. Wenn die Daueraufenthalte begrenzt sind, stellen sie eher KurzaufenthalterInnen oder GrenzgängerInnen ein. Oder sie weichen auf Temporärbüros aus, die ausländische Arbeitskräfte für 90 Tage an die Firmen ausleihen. Diese 90-Tage-Aufenthalte brauchen keine Bewilligung, sondern nur eine Meldung. Ob sie überhaupt beschränkt werden können, ist fraglich.
Bis die Schutzklausel greift, vergeht viel Zeit. Zuerst müsste der Bundesrat dem gemischten Ausschuss einen Antrag stellen. Dieser hat 60 Tage Zeit, dem Antrag zuzustimmen. Man kann davon ausgehen, dass dies meistens nicht der Fall sein wird, weil die EU kein Interesse daran hat. Dann geht der Antrag vor Schiedsgericht, das wieder ein halbes Jahr Zeit hat. Die Hürden vor Schiedsgericht sind relativ hoch. Die Schweiz müsste beweisen, dass sie schwerwiegende Probleme hat. Sollte das Schiedsgericht zustimmen, kann die Schweiz an die Umsetzung gehen. Je nachdem braucht es dazu noch einen referendumsfähigen Bundesbeschluss.
Das alles ginge viel einfacher. Wenn die Schweiz in einer Rezession eine hohe Arbeitslosigkeit hat, geht die Einwanderung sowieso zurück und ist kein Thema. Dann braucht es Konjunkturprogramme zur Stimulierung des Konsums oder des Baus, damit das Land möglichst schnell aus der Rezession herauskommt. Auch in einer Hochkonjunktur ist es besser, die Wirtschaft direkt abzukühlen. Indem beispielsweise öffentliche Aufträge ausgeschoben werden. Oder indem die Nationalbank die Zinsen erhöht. Die Schutzklausel wird hingegen kein Problem lösen. Sondern sie allenfalls sogar noch verstärken. Nämlich dann, wenn die Schutzklausel ein rasches konjunkturpolitisches Handeln verhindert.