Finanzkrise, Coronakrise und Ukraine-Krise: Reserveabbau in der Privatwirtschaft, um den Gewinn zu maximieren, als wichtiger Treiber. Die Pufferrolle wird dem Staat aufgezwungen.

Blog Daniel Lampart

Finanzkrise, Corona-Krise und nun noch Ukrainekrise. Die Wirtschaft wurde in den letzten Jahren mehrmals von grösseren Krisen getroffen. Dass es nicht zu schlimmen Rezessionen gekommen ist, ist im Wesentlichen den umfangreichen staatlichen Stabilisierungsprogrammen zu verdanken. Diese Geschichte zeigt, dass der Staat in diesen Krisen die Pufferrolle übernehmen musste, weil die Privatwirtschaft in den letzten 25 Jahren Reserven abbaute, um mehr Gewinn zu machen. Es wurden die Lagerkapazitäten, die Spitalkapazitäten und – bei den Banken vor der Finanzkrise – das Eigenkapital abgebaut. Dieses Verhalten hat verschiedene Namen. Am bekanntesten ist wohl der Begriff des «Shareholder-Value» aus der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre. Dabei geht es im Wesentlichen darum, möglichst viel kurzfristige Gewinne für die Aktionäre zu schaffen.

Unmittelbarer Auslöser der gegenwärtigen Liefer- und Versorgungsengpässe sind die Invasion in der Ukraine und die Lockdowns in China. Doch dass es die Wirtschaft so stark spürt, ist darauf zurückzuführen, dass die Firmen viel weniger Lager halten als bis zur Mitte der 1990er-Jahre (s. den Blog-Beitrag von Mitte April). Bei der Corona-Krise verstärkten die fehlenden Spitalkapazitäten das Problem. Es drohten Todesfälle, weil die Spitäler insbesondere in den Intensivstationen vor der Krise den Personalbestand minimierten. Die Finanzkrise wurde vor allem deshalb gefährlich, als die Banken weltweit die Verluste nicht mehr tragen konnten, weil sie vor der Krise Aktien zurückgekauft und Reserven abgebaut hatten. Die Krisen zeigen, dass das Konzept des Shareholder-Value nicht überlebensfähig ist. Ausser der Staat stabilisiert die Wirtschaft und die Firmen, wenn kriselt. Es klingt zwar abgedroschen, aber die Formel ist leider korrekt: «Gewinne privat, Verluste dem Staat».

Als weiteres Problem hat sich auch das geldpolitische Konzept der «Preisstabilität» herausgestellt. Die Zentralbanken hatten in der Folge zu wenig Reserven, um Krisen mit Zinssenkungen zu bekämpfen. Sie haben in den letzten 30 Jahren versucht, die Teuerung in engen Bändern zwischen 0 und 2 Prozent zu halten. Weil die Teuerung tief war, waren auch die Zinsen tief. In den wirtschaftlichen «Schönwetterphasen» schien diese Logik zu funktionieren. Doch bereits in der Finanzkrise musste die Nationalbank die Zinsen quasi auf null senken. Ab 2014 hat die SNB dann erstmals Negativzinsen eingeführt – und dennoch Milliardenbeträge zur Bekämpfung der Frankenüberbewertung einsetzen müssen. Die Geldpolitik sollte nach der Krise eine höhere Teuerung zulassen. Die EZB und das US-FED hat das Teuerungsziel bereits etwas erhöht. Die SNB sollte sich auch bewegen.

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