Klimaerwärmung über Finanzmärkte bekämpfen? Ist die Börse nun doch kein Casino? Zur Idee einer Initiative gegen die «klimaschädigenden Geschäfte des Finanzplatzes»

Blog Daniel Lampart

Ist die Börse ein Casino? Oder schafft sie Investitionen und Wirtschaftswachstum? Diese Gegenüberstellung ist zugegebenermassen zu simpel. Doch sie erhält nach dem Nein zur CO2-Abgabe eine neue Aktualität. Denn bereits am Abstimmungssonntag haben verschiedene politische Akteure Volksinitiativen gegen die «klimaschädigenden Geschäfte des Finanzplatzes» angekündigt. Die globale Klimaerwärmung soll über Transparenz und Einschränkungen bei den Finanzinvestitionen bekämpft werden («Dekarbonisierung der Finanzflüsse»).

Die stark neoklassisch geprägte Wirtschaftsforschung neigt dazu, eine relativ starke Verbindung zwischen Finanzanlagen und realen Investitionen herzustellen. Private Ersparnisse lösen Investitionen aus. In der keynesianischen Logik ist der Weg umgekehrt. Die reale Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen treibt die Investitionen und nicht die Ersparnisse und die Anlagen. Die Gewinne bzw. Ersparnisse folgen aus den Investitionen. Die Börse hat vor allem eine Verteilungsfunktion.

Bisher hat die Forschung bestenfalls einen schwachen Zusammenhang zwischen Finanzanlagen bzw. Finanzmärkten und Wirtschaftsentwicklung gefunden. Der keynesianische Nachfragekanal ist viel wichtiger. Wenn die Forschung einen Zusammenhang gefunden hat, dann ist es unklar, wie die Wirkungskette genau ist. In gewissen Studien führt ein Zuviel an Finanzmärkten zu weniger Investitionen und Wirtschaftswachstum. Weil es beispielsweise Finanzkrisen auf die Realwirtschaft durchschlagen können.

Die Negativzinsen in den letzten Jahren weisen klar darauf hin, dass heute zu viel gespart und zu wenig investiert wird. Wenn die Finanzmärkte am Anfang der Investitionen stünden, sollte es das eigentlich nicht geben. Die Akkumulation von Finanzkapital sollte zu mehr Investitionen führen. Bemerkenswert ist die Lage in Deutschland. Dort bilden seit einigen Jahren sogar die Firmen der Realwirtschaft Sparüberschüsse. Im ökonomischen Standardmodell sollte das umgekehrt sein. Die Privathaushalte sparen und geben den Firmen Geld. Die Firmen investieren und zahlen den Haushalten Dividenden oder Zinsen. Dieses Phänomen wurde verschiedentlich sogar vom Internationalen Währungsfonds festgestellt und kritisiert. Ursachen hinter diesen Kapitalüberschüssen sind u.a. Fehlentwicklungen in der Einkommensverteilung.

Die Investitionstätigkeit der Firmen lässt sich daher über die Börse kaum beeinflussen. Womöglich führt mehr Transparenz bei den Finanzanlagen dazu, dass die Bevölkerung in Bezug auf die ökologischen Auswirkungen der Produktion sensibler wird. Doch das Problem der Klimaerwärmung lässt sich über die Finanzmärkte nicht wirksam bekämpfen. Es stellt sich sogar die Frage, ob eine Klimapolitik über die Finanzmärkte nicht sogar negative Effekte hat. Denn sie bindet wichtige politische Ressourcen, die für das immer dringender werdende Klimaproblem anderswo gebraucht werden. Nämlich für die Entwicklung und die Durchsetzung von Massnahmen zur Reduktion des Verbrauchs von fossilen Brenn- und Treibstoffen.

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