"Mir scheint, dass das Deutsche Volk – zugespitzt – 5% Preisanstieg eher vertragen kann, als 5% Arbeitslosigkeit". Warum der frühere Bundeskanzler Schmidt nach wie vor Recht hat.

Blog Daniel Lampart

Mit der steigenden Teuerung stellt sich überall die Frage, wann die Geldpolitik mit einem restriktiveren Kurs gegensteuern soll. Damit würde der Aufschwung abgebremst. Mit dem Ziel, dass die Löhne und die Preise weniger stark steigen, dafür mehr Arbeitslosigkeit in Kauf genommen werden muss. Dieser negative Zusammenhang zwischen Teuerung und Erwerbslosigkeit ist in der Grafik unten gut erkennbar.

Erwerbslosigkeit und Teuerung in der Schweiz, 1991 bis 2020

Die NZZ plädierte für eine rasche Inflationsbekämpfung, weil die Inflation den «ärmeren» Haushalten stärker zusetzen würde.

Doch die Zusammenhänge sind etwas komplexer. Der frühere Bundeskanzler Schmidt brachte das 1972 mit dem Zitat auf den Punkt: «Mir scheint, dass das Deutsche Volk – zugespitzt – 5% Preisanstieg eher vertragen kann, als 5% Arbeitslosigkeit». Denn wenn die Geldpolitik gegensteuert und zusätzliche Arbeitslosigkeit verursacht, werden die einkommensschwächeren Haushalte überproportional getroffen. Personen mit einer obligatorischen Ausbildung sind 2 bis 3mal häufiger erwerbslos als AkademikerInnen. Und wer erwerbslos ist, hat in der Regel empfindliche Einkommenseinbussen. Zunächst in der Arbeitslosenversicherung von 20 bis 30 Prozent. Und danach teilweise beim neuen Job, aber insbesondere bei einer Aussteuerung.

Für die ArbeitnehmerInnen ist es sehr wichtig, dass die Löhne an die Teuerung und die Wirtschaftsentwicklung angepasst werden. In Inflationsphasen kommt den Gewerkschaften und den Gesamtarbeitsverträgen eine Schlüsselrolle zu. Indem sie dafür sorgen, dass die Löhne generell erhöht werden, werden die Arbeitnehmenden von der Teuerung verschont.

Neben den ArbeitnehmerInnen sind die RentnerInnen, die nur von der AHV leben, eine weitere einkommensschwache Bevölkerungsgruppe. Im Unterschied zur Altersvorsorge in der 2. und 3. Säule, wird die AHV an die Lohn- und Preisentwicklung angepasst. In der Regel alle zwei Jahre. Aber wenn die Teuerung hoch ist, erfolgt die Teuerungsanpassung jedes Jahr.

Die Behauptung, dass die ärmeren Haushalte die Teuerungsverlierer sind, greift daher zu kurz. Wenn die Löhne und die Renten regelmässig an die Teuerungs- und Wirtschaftsentwicklung angepasst werden, dürften sie im Gegenteil eher profitieren. Weil das Arbeitslosigkeitsrisiko geringer ist.

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