OECD-Mindeststeuer: Kantone unterlaufen Volksentscheid mit Millionensubventionen an multinationale Firmen

Blog Daniel Lampart

Im Juni 2023 sagten 78.5 Prozent der Stimmenden Ja zur OECD-Mindeststeuer. Sie gingen davon aus, dass die grossen, multinationalen Firmen nun 15 Prozent Gewinnsteuern zahlen müssen. Und dass das Steuerdumping durch Tiefsteuer-Kantone wie Zug nun ein Ende hat. Doch dieser Volksentscheid droht so nicht umgesetzt zu werden. Denn Kantone wie Baselstadt, Graubünden und Zug wollen einen beträchtlichen Teil der höheren Steuereinnahmen wieder an die Firmen zurückgeben – über Steuergutschriften, Lohnsubventionen und andere Massnahmen. Das zeigen die vorliegenden Gesetzesentwürfe, die noch von den kantonalen Parlamenten behandelt werden müssen. 

Die Bündner Kantonsregierung versucht das gar nicht erst zu beschönigen. Die geplanten Steuergutschriften seien ökonomisch gesehen eigentlich Steuersenkungen, mit dem Unterschied, dass sie OECD-konform seien: «Mit Steuergutschriften können die Steuerschulden des investierenden Unternehmens reduziert werden. Somit sind Steuergutschriften zwar von der Wirkung her vergleichbar mit einer Steuererleichterung. Im Unterschied zu Steuererleichterungen werden Steuergutschriften jedoch von der OECD in dem Sinne anerkannt» (Vernehmlassungsbericht, S. 347).

Zug und Baselstadt schlagen sogar vor, dass der Staat einen Teil der Löhne der Multis zahlen kann. Zug sieht ein Maximum von 10 Prozent der Lohnsumme vor. In Baselstadt ist das Gesetz keine Begrenzung geplant. Grundsätzlich sollen zwar nur Löhne im Bereich Forschung und Innovation bezahlt werden. Doch am Schluss kommt das auf die Definition an. Zug fasst den Bereich sehr breit; von Grundlagenforschung bis zu «verbesserten Produkten, Verfahren oder Dienstleistungen» - was immer das genau heisst.   

Weitere Auflagen gibt es nicht. Das ist in der Schweiz neuartig. Sogar der Landwirtschaft sind Direktzahlungen an Leistungen geknüpft (z.B. Förderung der Biodiversität). Im Unterschied zur Landwirtschaft sind die multinationalen Firmen, die in den Genuss dieser Subventionen kommen, in der Regel hochprofitabel – wie die Pharmafirmen oder Rohstoffhändler. Dazu kommt, dass es gerade in der Pharma vernachlässigte Forschungsbereiche gibt, wie die Frage der Antibiotikarestistenzen, in denen mehr gemacht werden müsste. Es wäre naheliegend, Forschungsbeiträge auch an Bereiche zu knüpfen, in denen zu wenig gemacht wird bzw. wo es ein öffentliches Interesse gibt. 

Die Kantone argumentieren, dass sie mit diesen Massnahmen als Standort attraktiv bleiben. Und das sei nötig, weil alle anderen Standorte auch subventionieren würden. Der Kanton Baselstadt hat die Wirkung von «Standortmassnahmen» überprüft: Das Ergebnis ist bemerkenswert. Familienfreundliche Rahmenbedingungen sind aus Sicht der ansässigen Unternehmen als Standortfaktor ungefähr gleich wichtig wie die Forschungsförderung und fast so bedeutend wie Steuererleichterungen. Das zeigt die Tabelle unten aus der Botschaft des Kantons. Leider sieht das die «verwaltungsinterne Begleitgruppe» von ihren Schreibtischen aus anders. Die Steuerbelastung ist aus Schreibtischperspektive fast doppelt so wichtig wie die «familienfreundlichen Rahmenbedingungen». Kurioserweise hat sich die Verwaltung und nicht die Unternehmen im Regierungsrat schliesslich durchgesetzt. Zwar sind im Vorschlag der Regierung auch familienfreundliche Massnahmen vorgesehen. Aber diese können zusammen mit den Massnahmen im Bereich Umwelt und den Forschungskooperationen mit Hochschulen nur 20 Prozent der vorgesehenen Mittel beanspruchen. 

Die Innovationsförderung ist in den Wirtschaftswissenschaften ein Dauerthema. Die Experten von der KOF ETH raten von Subventionen eher ab und empfehlen eine Stärkung der Forschungszusammenarbeit mit den öffentlichen Hochschulen: «A strong public research sector combined with steady enhancements of the Swiss knowledge and technology transfer capacity, as well as variations of existing instruments at Innosuisse or tax credits at the cantonal level for R&D expenditures could further boost innovation efforts in the private sector.» Übersetzt auf die Vorschläge in Zug und Basel hiesse das: Investitionen in die Kooperationslogik zwischen Hochschulen und Firmen statt Pauschalsubventionen.

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