Schadet Inflation der Wirtschaftsentwicklung? In der Regel nicht - ausser sie ist sehr hoch oder zu tief

Blog Daniel Lampart

Inwiefern sich die Teuerung auf das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand auswirkt, wird unter ÖkonomInnen schon seit hundert Jahren diskutiert. Inflation bedeutet eine Veränderung der Preise. Im Unterschied zur Preisstabilität steigen die Preise in Inflationsphasen laufend an. Das hat Vorteile und Nachteile. Bei sehr hohen Inflationsraten überwiegen die Nachteile – für Wohlstand und Wachstum. Es ist aber nicht ganz klar, ab welcher Höhe diese Wirkung eintritt.

Vorteile der Inflation sind:

  • Ein schnellerer Strukturwandel: boomende Branchen können expandieren, indem sie höhere Löhne zahlen und höhere Preise durchsetzen. Weil die bestehenden Sektoren ihre Nominallöhne nicht senken können, beschleunigt ein Lohnaufschlag der neuen Branchen gegenüber den «alten» den Wandel. Das impliziert aber auch eine höhere Gesamtinflation.
  • Mehr geldpolitischer Handlungsspielraum in Krisen nach unten, indem die Zinsen inflationsbedingt höher sind und somit mehr Zinssenkungsspielraum besteht.
  • Liquidität wird teurer: Geld wird ausgegeben.
  • Investitionen in Realkapital sind attraktiver als Geldhaltung.

Nachteile der Inflation sind:

  • Zusatzaufwand, wenn die Preise immer angepasst werden müssen («Menü-Kosten»)
  • Zusatzaufwand für Firmen und Privathaushalte, da sie sich im Inflationsumfeld Gedanken machen, wie sie ihre Geldhaltung optimieren («Schuhsohle-Kosten»)
  • Kalte Progression bzw. Anpassungsaufwand bei den Steuertarifen.

Teilweise wird deshalb vermutet, dass der Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Teuerung konkav ist. Eine sehr tiefe oder eine sehr hohe Teuerung können die Wirtschaftsentwicklung hemmen.

 

 

Stilisierter Zusammenhang zwischen Teuerung und Wirtschaftswachstum

Illustrativ ist ein Vergleich der Teuerungs- und BIP-Wachstumsraten für die Schweiz seit den 1950er-Jahren. Auch bei erhöhter Teuerung gab es ein hohes Wirtschaftswachstum.

Teuerung und Wirtschaftswachstum in der Schweiz (mittleres Wachstum in Prozent)

Geldpolitische Implikationen

Teuerung ist grundsätzlich ein realwirtschaftliches Phänomen. Denn die Preise und Löhne werden in den Firmen festgelegt – und nicht in den Chefetagen der Zentralbanken. Aber die Geldpolitik kann beide beeinflussen. Eine Geldpolitik, welche die Konjunktur bremst, führt zu einem geringeren Lohnwachstum und weniger Teuerung – und umgekehrt. Darum ist klar, dass eine Zentralbank immer auch die Konjunktur als Ziel haben muss.

Die Geldpolitik in den Industrieländern zielt auf «Preisstabilität» ab, wobei unter Preisstabilität meist eine Teuerung von rund 2 Prozent verstanden wird. Diese Abweichung von einer Nullteuerung wird damit begründet, dass die leicht positive Teuerung eine «Sicherheitsmarge» gegen Deflation beinhaltet. Zudem messen die verwendeten Indizes die Teuerung teilweise verzerrt, so dass die effektive Teuerung geringer ist als statistisch ausgewiesen. In den letzten Jahren wurde teilweise gefordert, dass die Zentralbanken ihre Teuerungsziele anheben. So z.B. von renommierten Ökonomen wie Olivier Blanchard, die eine Erhöhung auf 3 oder 4 Prozent empfahlen. Die EZB hat ihr Teuerungsziel leicht angehoben – auf 2 Prozent im Durchschnitt. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch eine Meta-Studie des IWF. Sie findet keinen Zusammenhang zwischen dem Inflation-targeting der Zentralbanken und dem BIP-Wachstum. Aber dafür einen erheblichen Publication-Bias - indem der Anteil der Studien, welcher einen positiven Zusammenhang unterstellt, überrepräsentiert ist.

 

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