Sparprogramme beim Bund? Aus ökonomischer Sicht ist eher das Gegenteil nötig. Weil der Staat auf Kosten der Bevölkerung Vermögen anhäuft. Und weil es Investitionen braucht.

Blog Daniel Lampart

Morgen beginnt die Spardiskussion beim Bund, wenn der Bundesrat die Vorschläge seiner Expertengruppe diskutiert. Bundesrätin Keller-Sutter hat das Terrain schon dramatisch vorbereitet. In einem Interview sagte sie neulich: «Die Verschuldung in den USA und in Europa ist ein Risiko für die internationale Finanzstabilität und ein Risiko für die Schweiz». Die Schweiz müsse nun sparen, damit sie handlungsfähig bleiben würde. 

Aus ökonomischer Sicht ist eher das Gegenteil der Fall. In der Schweiz, aber auch in der Eurozone wird viel mehr gespart als investiert. Darum sind auch die Zinsen anhaltend tief. 

Schweizer Staat füllt seine Kassen - auf Kosten der Bevölkerung

Der Schweizer Staat hat seit 2006 in fast jedem Jahr einen Überschuss verzeichnet – ausser in den beiden Corona-Jahren 2020 und 2021. Bund, Kantone und Gemeinden haben enorme Ersparnisse angehäuft. Das Eigenkapital des Staates beträgt mittlerweile über 100 Mrd. Fr. oder rund 12'000 Franken pro Kopf. Der Schweizer Staat ist nicht verschuldet, sondern vermögend. Gemäss den aktuellen Informationen aus den Kantonen soll es so weitergehen. Die Einnahmenentwicklung ist positiver als angenommen. 

Überschüsse/Defizite von Bund, Kantonen, Gemeinden (in Mio. Fr.)
Eigenkapital Bund, Kantone, Gemeinden (in 1000 Fr.)

Die Schweiz spart zu viel

Nicht nur der Staat spart mehr als er ausgibt, sondern auch die Privaten Haushalte und der Finanzsektor. Die ganze Schweiz produziert Überschüsse in der Grössenordnung von 50 Mrd. Fr. pro Jahr, die im Ausland investiert werden. Geld für Investitionen hierzulande wäre somit mehr als genug vorhanden – wenn der Staat oder andere investieren wollten. 

Saldo der Ertragsbilanz (in Mrd. Fr.)

Finanzierungsprobleme der kapitalgedeckten Vorsorgesysteme

Die Schweiz hat mit den Pensionskassen, aber auch mit den teilweise privaten Unfallversicherungen ein Sozialversicherungssystem, das sehr viel Kapital braucht. Dieses Kapital muss gewinnbringend angelegt werden, damit die Versicherungsleistungen gut finanziert werden können. Insbesondere der Kapitalbestand der Beruflichen Vorsorge hat sich gemessen am BIP seit 1990 verdreifacht. Kein Wunder, sind die Franken-Zinssätze bei diesem Ungleichgewicht zwischen dem steigenden anlagesuchenden Kapital und dem geringeren Kredit- und Kapitalbedarf von Staat und Wirtschaft so tief. Es herrscht ein Überangebot an Anlagekapital. Die Schweizer Realzinsen sind nach wie vor negativ. 

Sozialversicherungen: Kapital in % des BIP
Realzinsen für 10-jährige Staatsanleihen

Schuldenbremse ist ein Kassenfüller für den Bund

Der Bund hat seit mehr als 20 Jahren eine «Schuldenbremse». Diese verlangt, dass Einnahmen und Ausgaben «auf Dauer» im Gleichgewicht sein müssen. Rückblickend kann man sagen, dass die Schuldenbremse ihr Ziel deutlich verfehlt hat. Abgesehen von der Jahrhundert-Corona-Krise führte sie dazu, dass der Bund Überschüsse in Milliardenhöhe machte. Ironischerweise wird sie vor allem von Wirtschaftsliberalen verherrlicht, obwohl sie die Kassen des Bundes auf Kosten der Privaten unnötig füllt. Woher kommen diese Überschüsse in der Schuldenbremse? Der Bund hat die Schuldenbremse so umgesetzt, dass die Einnahmen und Ausgaben im Budget im Gleichgewicht sein sollen. In der Realität kann der Bund aber nicht alle budgetierten Ausgaben tätigen (Projektverzögerungen usw.). Und er ist bei der Schätzung der Einnahmen eher auf der vorsichtigen Seite. Nur schon wenn man die Schuldenbremse richtig anwendet würde – auf die Rechnung statt auf das Budget – könnte der Bund 1 bis 1.5 Mrd. Fr. pro Jahr mehr ausgeben.

Nicht ausgeschöpfte Ausgaben gemäss Schuldenbremse in Mio. Fr. (= Vermögensaufbau des Bundes)

Staatsschulden: aus ökonomischer Sicht in sehr vielen Fällen unproblematisch

Aus ökonomischer Sicht sind Staatsschulden in sehr vielen Fällen kein Problem. Solange eine Volkswirtschaft zahlungs- und kreditfähig ist, kann sich ein Staat verschulden. Denn der Staat ist keine Firma, sondern der Staat sind wir alle – die Privathaushalte und die Firmen. Der Staat muss aber keine Schulden machen. Schuldenfinanzierte Investitionen sind beispielsweise dann angebracht, wenn ein Projekt über viele Jahre Nutzen stiftet (z.B. Infrastruktur). Grundsätzlich gilt: Staatsschulden sind dann unproblematisch, wenn sie nicht aus dem Ruder laufen. D.h. dass die Neuverschuldung sich ungefähr im Ausmass des Wirtschaftswachstums bewegen sollte – wie das in den Maastricht-Kriterien vorgesehen ist. Dann bleibt die Schuldenquote konstant. Der Staat sollte zudem keine Kredite in ausländischer Währung aufnehmen, wenn sich die eigene Währung wie in Entwicklungsländern tendenziell abwertet. 

Milliarden-Spielraum für den Bund – auch mit Schuldenbremse

Selbst unter der Schuldenbremse hat der Bund erheblichen finanzpolitischen Spielraum. Erstens sollte die Schuldenbremse verfassungskonform angewendet werden, so dass die Einnahmen und Ausgaben auf Dauer im Gleichgewicht sind; und nicht die budgetierten Einnahmen und Ausgaben. Das alleine gibt dem Bund über 1 bis 1.5 Mrd. Fr. zusätzlichen Spielraum. Zweitens übernimmt der Bund immer mehr Aufgaben von Kantonen oder Gemeinden, wegen der höheren Mobilität der Bevölkerung, der Demografie, der Digitalisierung oder der Tertiarisierung der Ausbildung usw. Diese Verschiebung muss finanziert werden. Wenn pro Jahr – zurückhaltend geschätzt - 0.25 Prozent der Auf- und Ausgaben von den Kantonen und Gemeinden zum Bund geht, bedeutet das, dass auch über 200 Mio. Fr. in Richtung Bund transferiert werden müssen (gemessen an den Bundesausgaben). Oder vom Bund nicht an die unteren Gebietskörperschaften ausbezahlt werden sollen. In wenigen Jahren summiert sich das auf 1 Mrd. Fr. jährlich. 

Die Kantone können diese Verlagerung ohne Weiteres verschmerzen. Sie schlossen die letzten Jahre mit Überschüssen ab - wie immer deutlich über Budget. Die Finanzpläne sind positiv. In Kantonen wie Zug oder zunehmend auch Luzern steigen die Einnahmen so stark, dass die Regierungen langsam Mühe haben, das Geld auszugeben. Das zeigt: Geld ist im Schweizer Staat kein Problem. Aber es ist offenbar am falschen Ort. 

 

 

 

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