Trotz Fachkräftemangel viele Erwerbslose und kaum steigende Löhne – Machtmissbrauch von grossen Firmen und Sparmassnahmen im Service public

Blog Daniel Lampart

«Fachkräftemangel!», klagen viele Arbeitgeber. Dennoch waren im letzten Jahr 221'000 Personen erwerbslos. Vor rund 25 Jahren gab es rund 100'000 Erwerbslose - bei ungefähr gleich vielen offenen Stellen. Das zeigt: Auf dem Schweizer Arbeitsmarkt stimmt definitiv etwas nicht mehr. 

Erwerbslose und offene Stellen

Dasselbe Bild gibt es bei den Löhnen. Trotz Arbeitskräftemangel und vielen offenen Stellen ging es bei den Reallöhnen sogar abwärts. Obwohl die Löhne in einer Mangelsituation eigentlich steigen sollten. 

Reallöhne (Wachstum, 3-Jahresmittel)

Hinter dieser Entwicklung gibt es nicht eine Ursache. Wir wissen, dass vor allem grössere Firmen unflexibler geworden sind. Sie sind weniger bereit, Leute selber auszubilden als früher. Die Personalabteilungen, die eine wichtigere Rolle spielen, suchen ziemlich schematisch Personal, das die Qualifikationen schon mitbringt. Das Potenzial spielt eine geringere Rolle. Ältere Arbeitnehmende haben es schwerer. Das zeigt sich auch in der Arbeitslosenstatistik: Vor allem die Arbeitslosenquote der 60+ ist erhöht. 

Interessant ist ein Blick in die Branchen. Die Grafik unten vergleicht die Entwicklung der offenen Stellen und der Erwerbslosigkeit im Jahre 2024 mit dem Jahr 2011. Damals lag die Erwerbslosenquote auf einem ähnlichen Niveau. In der Industrie, im Bau oder im Gastgewerbe ging die Erwerbslosigkeit mit der besseren Konjunktur zurück. Die offenen Stellen haben etwas zugenommen. Gleichzeitig haben aber auch viele Erwerbslose eine Stelle gefunden. Die Erwerbslosenquote ging zurück. Anders ist es in der ICT-Branche, aber auch in den stark von grossen, teilweise öffentlichen Betrieben dominierten Branchen wie der Verkehrsbranche, dem Gesundheitswesen, der Bildung oder öffentlichen Verwaltung. 

Erwerbslosenquote und Quote der offenen Stellen (Differenz zwischen 2011 und 2024)

Die Lohnentwicklung in den Branchen Verkehr/Logistik und Gesundheit/Soziales ist ebenso auffällig. Trotz erhöhtem Arbeitskräftemangel gingen die Reallöhne stärker zurück als in der gesamten Wirtschaft. In vielen Heimen, Kitas, aber auch bei der Zustellung von Paketen sind tiefe Löhne – inkl. Löhne unter 5000 Franken trotz Lehre – leider eine verbreitete Realität. 

Wachstum der Reallöhne 2015-2023

In diesen Branchen gibt es Arbeitgeber mit einer besonders starken Marktstellung – etwa die Post, die SBB, aber auch die Spitäler oder die Heime, von denen es in einer Gemeinde nur eines oder wenige gibt. In den Wirtschaftswissenschaften spricht man in diesen Fällen von einem Monopson – einer Firma, die als Nachfrager von Arbeitskräften eine besonders starke Marktposition hat. Sparmassnahmen im Gesundheits- und Sozialwesen, aber auch bei der Post und der Bahn haben sich eindeutig negativ ausgewirkt. 

In solchen Fällen sind gute Gesamtarbeitsverträge oder andere Lohnregulierungen sowie ein gut finanzierter Service public besonders wichtig. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Der Handlungsbedarf ist gross.

 

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