Wirtschaftssanktionen gegen Russland zeigen Wirkung. Friedenspolitik heisst nicht einfach Aufrüstung wie im kalten Krieg

Blog Daniel Lampart

Europa will militärisch aufrüsten und mobilisiert Milliardenbeträge. Auch die so genannte «sicherheitspolitische» Diskussion in der Schweiz geht in die ähnliche Richtung. Zweifellos ist die Lage nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und den russlandfreundlichen Signalen der Administration Trump eine andere. Die Sicherheit Europas muss neu gedacht werden. Hauptziel ist der Erhalt und die Förderung des Friedens. Doch ob eine Aufrüstung von Armeen wie in den 1970er-Jahren die einzig richtige Antwort auf die aktuellen Fragen ist, ist mehr als fraglich. Auch für die kleine Schweiz. 

Ein Beispiel: Die NZZ berichtete diese Woche über den 6 Milliarden teuren F-35 und liess einen Militärexperten der ETH den Kauf mit folgenden Worten rechtfertigen: Der F-35 kann «ungesehen in feindliche Lufträume eindringen und die Luftverteidigungsstützpunkte zerstören.» Danach sei der gegnerische Luftraum «keine Herausforderung mehr». In welches Land der Jet genau eindringen soll und wie das mit der Schweizer «Neutralität» vereinbar ist, war jedoch kein Thema. 

Im Jahr 2022 entschloss sich die westliche Welt, Russland mit Wirtschaftssanktionen empfindlich zu schwächen. Der Krieg sollte möglichst mit wirtschaftlichen statt mit militärischen Mitteln eingedämmt werden. Die Idee war grundsätzlich gut. Doch die kurzfristigen Erwartungen an diese Sanktionen waren völlig überzogen. Prognostiker rechneten mit einem BIP-Einbruch in Russland von über 10 Prozent. Doch Sanktionen brauchen Ausdauer. Und sie können natürlich nicht alle Probleme lösen. Mittel- und längerfristig machen die Sanktionen Russland schwer zu schaffen, kurzfristig konnte das Land aber über China, das Nato-Land Türkei und über andere Länder teilweise ausweichen und das Wachstum mit einer Kriegswirtschaft stabilisieren. Leider haben die damals überzogenen und enttäuschten Erwartungen dazu geführt, dass das Mittel der Sanktion in der sicherheitspolitischen Diskussion stark an Bedeutung verloren hat. Das erratische Gehabe von Donald Trump hat es weiter diskreditiert. Sanktionen erfordern eine Kooperation von mehreren bedeutenden Wirtschaften; damit es quantitativ bedeutend ist, und damit die Sanktionen nicht einfach umgangen werden können. 

Die Wirkung wirtschaftlicher Sanktionen ist relativ gut erforscht. Sanktionen haben eindeutig eine Wirkung. Aber mit Sanktionen alleine lassen sich die politischen Ziele kaum erreichen. Es braucht zusätzlich politische und diplomatische Massnahmen sowie entsprechenden politischen und diplomatischen Druck, um diese Ziele zu erreichen. Und zur Verhinderung militärischer Angriffe durch Aggressoren braucht es ein gewisses militärisches Schutzdispositiv. 

Das Beispiel Russlands belegt, dass Sanktionen wirksam sind. Die Lage in der russischen Wirtschaft wird zunehmend ungemütlich. Die Umstellung auf Kriegswirtschaft hat die russische Ökonomie überhitzt. Die Teuerung ist auf 10 Prozent gestiegen. Die Zinsen sind auf rekordhohen 20 Prozent. Es fehlen Arbeitskräfte, weil viele ausgewandert sind und die Armee sowie die Rüstungsindustrie viele Leute brauchen. Die Kriegswirtschaft kostet hohe Milliardenbeträge und zieht Mittel aus anderen, längerfristig wichtigeren Sektoren ab. Der Staatsfonds, der dafür angezapft wurde, ist bald leer. Aufgrund der gesunkenen Ölpreise hat der Staat weniger Einnahmen. 

Eine Abkehr von den Sanktionen gegenüber Russland wäre gerade jetzt ein folgenschwerer Fehler. Die westliche Welt sollte die Sanktionen im Gegenteil verschärfen und verbessern. Die Schweiz kann hierzu Wesentliches beitragen. Es gibt zahlreiche Berichte über Schweizer Firmen, die in Umgehungsgeschäfte verwickelt sind. Eine aktuelle Auswertung der «Global sanctions database» weist darauf hin, dass die Schweiz mehr tun kann. 

Der Friede ist etwas vom Wertvollsten für die Menschen. Er verhindert extrem viel menschliches Leid und er ist eine wesentliche Quelle des wirtschaftlichen Wohlstands. Eine sicherheitspolitische Diskussion muss immer den Frieden als Ziel haben. Und sie muss die Frage beantworten, mit welchen Mitteln dieses Ziel am besten erreichbar ist. Militärische Aufrüstung zu Abschreckung von Aggressoren ist nur ein Teil einer solchen Strategie. Eine Friedenspolitik braucht ebenso auch politische und wirtschaftliche Elemente.  

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