Zwei Szenarien zur Kaufkraft 2023: Das Gewerkschaftsszenario ergibt ein Plus. Im "Arbeitgeberprogramm" resultiert hingegen ein Minus

Blog Daniel Lampart

Die finanzielle Situation der Menschen mit tieferen und mittleren Einkommen ist auch in der Schweiz zunehmend angespannt. Die Teuerung läuft den Löhnen davon, die Energiekosten steigen. Die Einschätzung der finanziellen Lage war in der Konsumentenstimmungsumfrage des Seco noch nie so schlecht wie jetzt.

Im nächsten Jahr dürften sich die Kaufkraftprobleme zuspitzen. Ein sehr grosses Problem ist der starke Anstieg der Krankenkassenprämien von 6.6 Prozent, der vor allem Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen trifft. Dazu kommen die höheren Strom- und Energiepreise sowie die steigenden Mieten. Die Teuerung wird deshalb auch Anfang 2023 bei über 3 Prozent liegen. 

Die TopverdienerInnen können den Prämienanstieg von mehreren hundert Franken besser verkraften. Dennoch erhalten ausgerechnet sie eine finanzielle Entlastung. Weil das Solidaritätsprozent bei der Arbeitslosenversicherung auf Löhnen über 148'200 Fr. wegfällt, zahlen sie unter dem Strich weniger Sozialversicherungsbeiträge. Zudem profitieren sie von höheren Löhnen. Denn die Lohnschere hat sich wieder geöffnet.

Positiv ist, dass die Gewerkschaften in der Lohnrunde 2022/23 bisher einen beträchtlichen Teil ihrer Ziele erreicht haben. Die Lohnabschlüsse enthalten bisher mehrheitlich den Teuerungsausgleich und darüber hinaus teilweise noch eine Reallohnerhöhung. Hätte sich die Vorstellung von Arbeitgeber-Präsident Vogt durchgesetzt («eine Lohnrunde wie jede andere»), würden die Löhne nominal um 1 Prozent steigen bzw. real um 2 Prozent sinken. Die positiven Abschlüsse können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lohnverhandlungen anspruchsvoll sind. Zahlreiche Kantone wollen ihrem Personal keinen Teuerungsausgleich gewähren. Auch im Detailhandel verlaufen die Verhandlungen unbefriedigend.

Wie es den Arbeitnehmenden im kommenden Jahr finanziell gehen wird, ist noch nicht ganz entschieden. Noch stehen viele Lohnabschlüsse aus. Offen ist auch, um wie viel die Prämienverbilligungen steigen werden. Nachdem der Nationalrat eine Milliarde Franken zusätzlich zur Verfügung gestellt hatte, legte sich die Sozialkommission des Ständerates quer. Klar ist hingegen, dass die Top-VerdienerInnen kein Solidaritätsprozent mehr zahlen müssen.

Im «negativen Kaufkraftszenario» mit Lohnerhöhungen gemäss Ansage des SAV-Präsidenten (1 Prozent 2023), mit Prämienverbilligungen gemäss kantonalen Budgets 2023 und einem Mietanstieg von 2.5 Prozent erleiden Familien mit unteren und mittleren Einkommen gegenüber 2020 deutliche Einkommensverluste. Im «positiven Szenario» mit 4 Prozent mehr Lohn 2023, 1 Mrd. Fr. mehr Prämienverbilligung des Bundes und einem Mietanstieg von 2 Prozent resultiert hingegen ein Plus.

 

 

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