Wenn eine Krise auf bestehende geschlechtsspezifische Schieflagen trifft, verstärken sich diese. So das Fazit einer Studie des Büro BASS, welche die Eidgenössische Kommission für Frauenfragen EKF nach zwei Pandemiejahren veröffentlicht hat.
Die Publikation fokussiert auf die Auswirkungen der staatlichen Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und zur Unterstützung der pandemiebetroffenen Branchen und Arbeitnehmenden. Ausgeklammert blieben leider die zumeist weiblichen Arbeitnehmenden in sogenannt systemrelevanten Berufen, die unter teils prekären Bedingungen und zu tiefen Löhnen einen zentralen Beitrag zur Pandemiebewältigung geleistet haben. Trotzdem schliesst die EKF mit der Studie eine wichtige Lücke in der Analyse der staatlichen Pandemiebekämpfung und stützt mit ihren Empfehlungen die SGB-Gleichstellungspolitik.
Tieflohnbranchen – und damit Frauen – am stärksten betroffen
Die Beschäftigung ist während der Pandemie aufgrund von staatlichen Massnahmen und Betriebsschliessungen allgemein zurückgegangen, unterschiedliche Gruppen von Beschäftigten waren jedoch sehr unterschiedlich betroffen. Am meisten zurückgegangen ist das Arbeitsvolumen von Arbeitnehmenden in Kleinstpensen, also mehrheitlich Frauen. Zwar wurde der damit einhergehende Einkommensverlust teilweise durch die Kurzarbeitsentschädigung kompensiert – aber eben nur teilweise, da diese bei tiefen Löhnen erst ab Dezember 2020 auf 100 Prozent erhöht wurde. Als Folge davon waren vor allem Haushalte mit tiefem Einkommen wie beispielsweise Einelternfamilien besonders von einschneidenden Einkommensverlusten betroffen.
Zwar haben es die Behörden verpasst, das Geschlecht der Bezüger:innen von Kurzarbeitsentschädigung zu erheben, so dass keine Aussagen gemacht werden können, wie sich diese auf Frauen und Männer verteilten. Bekannt ist jedoch, dass in die Dienstleistungsbetriebe mit hohem Frauenanteil wie Coiffeur- und Kosmetiksalons weniger Kurzarbeitsentschädigungen und finanzielle Hilfen flossen.
Ganz ausgeschlossen von Covid-Hilfen waren Beschäftigte in Privathaushalten – zu 88 Prozent Frauen. Die Begründung des Bundes, dass Haushaltshilfen oder Live-In-Betreuerinnen ja weiterarbeiten konnten, ist mehr als zynisch: Nicht durch das Arbeitsgesetz geschützte Arbeitnehmerinnen verloren zuhauf ihre Anstellung, konnten sich kaum wehren und aufgrund der Reisebeschränkungen oft auch nicht in ihre Heimat zurückkehren.
Weniger Homeoffice und mehr Vereinbarkeitsprobleme bei Frauen
Rund die Hälfte der Erwerbstätigen hat während der Pandemie zumindest zeitweise im Homeoffice gearbeitet. Während diese Möglichkeit in der obersten Einkommensgruppe 60 Prozent der Angestellten offenstand, konnten in der untersten Einkommensgruppe nur 28Prozent davon profitieren. Folgerichtig konnten etwas mehr Männer als Frauen ihre Erwerbsarbeit daheim fortführen. Trotzdem waren Frauen erheblich mehr als Männer von Vereinbarkeitsproblemen im Homeoffice betroffen, insbesondere in Familien mit schulpflichtigen Kindern: Es waren wie meistens mehrheitlich die Mütter, die für die Kinderbetreuung auf Erwerbsarbeit verzichteten. Dank dem Einsatz des SGB waren für solche Fälle bald nach Pandemiebeginn Erwerbsersatzzahlungen vorgesehen. Doch aufgrund der unklaren Kommunikation des Bundes war vielen Eltern nicht bewusst, dass sie auch im Homeoffice Anspruch darauf hatten. Glücklicherweise dauerten Schulschliessungen in der Schweiz nur kurz an, so dass schlimmere Folgen für die Gleichstellung verhindert werden konnten.
Fünf zentrale Empfehlungen
Auf Basis der Publikation hat die EKF eine Reihe von Empfehlungen formuliert, um mit mehr Gleichstellung die Resilienz von Wirtschaft und Gesellschaft zu stärken. Aus gewerkschaftlicher Sicht sind insbesondere folgende Empfehlungen zentral:
- Empfehlung 1: Familien- und schulergänzende Kinderbetreuung sowie deren Finanzierung durch die öffentliche Hand ausbauen und diese in Krisen aufrechterhalten. Der SGB hat aufgrund der Pandemie sein diesbezügliches Engagement zusätzlich verstärkt. Auch deshalb hat die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrats (WBK-N) im Frühling 2022 eine Gesetzesvorlage für mehr und stetiges Bundesengagement in der Kinderbetreuung in die Vernehmlassung geschickt. Einen Schritt weiter geht die vom SGB mitlancierte Kita-Initiative, die einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, einen höheren Finanzierungsanteil durch die öffentliche Hand sowie bessere Qualität und Arbeitsbedingungen vorsieht.
- Empfehlung 2: Rahmenbedingungen für Homeoffice definieren und Care-Arbeit egalitär verteilen. Der SGB hat immer darauf hingewiesen, dass Homeoffice kein Allheilmittel für die Vereinbarkeit ist und bei fehlender Regelung gesundheitliche und soziale Risiken für die Arbeitnehmenden birgt. Es muss deshalb auch nach der Pandemie darauf geachtet werden, dass Homeoffice-Arrangements den Arbeitnehmenden und nicht in erster Linie den Arbeitgebenden zugutekommen.
- Empfehlung 3: Erwerbsintegration von Frauen stärken und Anrecht für Eltern auf eine Pensenreduktion nach der Geburt eines Kindes mit Rückkehrrecht auf das ursprüngliche Pensum einführen. Damit bezahlte und unbezahlte Arbeit gleichmässig auf die Geschlechter verteilt wird und Care-Arbeit kein Armutsrisiko für Frauen mehr darstellt, braucht es entsprechende Rahmenbedingungen. Dazu gehört die sogenannte Brückenteilzeit, des Weiteren braucht es auch ausgebaute Mutterschafts- und Vaterschaftsurlaube sowie eine Elternzeit nach europäischem Vorbild. Langfristiges Ziel des SGB ist die Reduktion der Erwerbsarbeitszeit ohne Lohneinbussen in tiefen Einkommensgruppen.
- Empfehlung 4b: Tieflohnarbeit aufwerten und im Krisenfall besseren Lohnschutz gewähren. Frauen sind in den Tieflohnbranchen übervertreten. Die Prekarität dieser Beschäftigungen ist nicht nur im Krisenfall problematisch, sondern sie ist ein gewichtiger Grund für die tieferen Einkommen von Frauen im Erwerbsleben. Der SGB setzt sich deshalb weiterhin für Mindestlöhne und die Aufwertung von Berufen mit hohem Frauenanteil ein.
- Empfehlung 6: Spezifische Unterstützung für Beschäftigte in privaten Haushalten anbieten. Die Arbeit in Privathaushalten muss ohne Wenn und Aber dem Arbeitsgesetz unterstellt werden, wie der SGB schon lang fordert. Staatliche Massnahmen zur Krisenbekämpfung müssen so ausgestaltet sein, dass Angestellte ohne Papiere und in prekären Beschäftigungssituationen nicht durch die Maschen fallen.
Eine Analyse der Covid-Pandemie in der Schweiz aus Gleichstellungsperspektive war lange überfällig. Die EKF-Studie hat diese Lücke teilweise geschlossen und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung zukünftiger Krisen. Die Empfehlungen der Kommission entsprechen der bisherigen Gleichstellungspolitik des SGB und dienen als Argumente für politische Massnahmen.