Die Lohnforderungen 2024

5 Prozent mehr Lohn wegen Teuerung, Produktivität und Nachholbedarf

5 Prozent mehr Lohn wegen Teuerung, Produktivität und Nachholbedarf

Die Lohnforderungen der Gewerkschaften 2023/2024

Die Reallöhne sinken 2023 zum dritten Mal in Folge. Das gab es seit dem 2. Weltkrieg noch nie. Entsprechend sind die Löhne heute fast 3 Prozent tiefer als im Jahr 2020. Obwohl die Wirtschaft gut läuft und die Arbeitslosigkeit tief ist. Und obwohl die Arbeitgeber über einen «Fachkräftemangel» klagen. Von der guten Konjunktur sahen die Arbeitnehmenden wenig bis nichts.

Firmen erhöhen ihre Margen, was auch die Teuerung in die Höhe treibt

Profitiert haben hingegen die Unternehmen. Viele haben aufgrund der guten Absatzsituation und der Lieferengpässe ihre Preise und ihre Margen angehoben. Die grossen Schweizer Firmen sind in ihren jüngsten Quartalsberichten teilweise geradezu euphorisch. Die ABB hat «die Marge […] erhöht» und meldet «das beste Ergebnis in einem ersten Quartal seit vielen Jahren». Auch Novartis «erzielt […] eine robuste Margenerhöhung». Und Nestlé meldet: «Durch […] Preisanpassungen konnte der Druck der seit zwei Jahren andauernden Kosteninflation ausgeglichen werden.»

Ein beträchtlicher Teil der höheren Teuerung ist die Folge einer Margenausweitung der Firmen. Gemäss einer Analyse des IWF sind höhere Gewinne für fast die Hälfte der Teuerung in Europa verantwortlich. Die Gewinnsituation der Firmen ist gut. Im Rahmen der KOF-Umfragen bezeichnen die Unternehmen ihre Geschäftslage grossmehrheitlich als gut.

Beurteilung der Geschäftslage der Firmen gemäss KOF-Umfrage (Saldo in Prozentpunkten, saisonbereinigt)

Lohnschere geht weiter auf, Kader sind die Lohnprofiteure der letzten Jahre

Weitere Profiteure der letzten Jahre waren die Kader in den Firmen. Ihre Löhne sind wesentlich stärker gestiegen als diejenigen der normalen Arbeitnehmenden. Sie waren die einzigen, die zwischen 2020 und 2022 auch real mehr Lohn hatten. Bei den Arbeitnehmenden in den übrigen Berufen hingegen ging es leider abwärts.

Lohnrückstand von 5 Prozent und mehr

Der Lohnrückstand ist mittlerweile gross. Die Löhne müssen so stark steigen wie die Teuerung und die Arbeitsproduktivität, damit die Verteilung zwischen Arbeit und Kapital gleich bleibt. Sonst verdienen die Arbeitgeber auf Kosten der Arbeitnehmenden mehr. In den letzten Jahren war dies leider der Fall. Seit 2015 stiegen die Nominallöhne um rund 7.5 Prozent, während die Teuerung und die Produktivität zusammen um mehr als 14 Prozent zulegten. Ähnlich wäre das Bild, wenn man den Zeitraum von 2010 bis 2023 vergleichen würde. Der Lohnrückstand beträgt über 5 Prozent, weitgehend unabhängig vom Zeitraum, der verglichen wird.  

Die finanzielle Lage der Bevölkerung hat sich spürbar verschlechtert. Höhere Preise für Produkte des täglichen Bedarfs, steigende Mieten und Krankenkassenprämien haben viel Kaufkraft gekostet. Auf 2024 dürften die Mieten und die Krankenkassenprämien erneut steigen. Dazu kommt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0.4 Prozentpunkte. Wenn es keine Lohnerhöhung gibt, wird ein Paar mit zwei Kindern im kommenden Jahr 3’000 Franken weniger zur Verfügung haben.[1]

Positive Wirtschaftsaussichten, Lohnerhöhungen helfen konsumnahen Branchen

Die wirtschaftlichen Aussichten sind nach wie vor positiv. Wenn es Nachfrageprobleme gibt, treten diese europaweit eher in konsumnahen Branchen auf, was eine Folge der Kaufkraftprobleme ist. Lohnerhöhungen sorgen hier für Entspannung. Die Lage in den Exportbranchen hat sich verbessert. Bei der Industrie mussten in den ersten Monaten des laufenden Jahres Lager abgebaut werden, weil zahlreiche Firmen in Zeiten der Lieferengpässe den Markt für Vorprodukte und Halbfabrikate leergekauft hatten und diese Einkäufe auf ihren Firmengeländen horteten.

Die Teuerung dürfte 2023 auf rund 2.2 Prozent zu liegen kommen. Allerdings wird die tatsächliche Teuerung unterschätzt. Weil das Bundesamt für Statistik die Mieten erst im November neu erhebt, gehen die Mieterhöhungen im Oktober noch nicht in den Landesindex ein.

Neuer Krankenkassen-Prämienschock, auch Arbeitgeber verursachen Gesundheitskosten

Die Krankenkassenprämien dürften auf 2024 nochmals um 5 Prozent oder mehr steigen, nachdem die Arbeitnehmenden bereits auf 2023 einen Prämienschock verdauen mussten. Viel zu wenig bekannt ist, dass auch die Arbeitgeber Gesundheitskosten verursachen, ohne dafür zu zahlen.

Zahlreiche Gesundheitsprobleme rühren von der Arbeit her.[3] Seien es physische Probleme wie Rücken- oder Knieschmerzen. Oder psychosomatische Leiden wie Kopfschmerzen, Verdauungs- oder Schlafstörungen. Die Arbeitgeber zahlen über die Unfallversicherung zwar die Heilungskosten bei Unfällen. Doch bei Erkrankungen, die keine Unfälle sind, müssen die Arbeitnehmenden für die Kosten aufkommen – über die Krankenkasse oder über die Franchise und den Selbstbehalt[4].

Forderungen der SGB-Gewerkschaften

Die Verbände des SGB fordern deshalb für 2024 Lohnerhöhungen im Bereich von 5 Prozent. Es braucht einen Ausgleich der Teuerung von 2.2 Prozent. Es braucht eine Erhöhung der Reallöhne von knapp 1 Prozent, damit die Arbeitnehmenden ihren Anteil am Produktivitätswachstum erhalten. Zudem gibt es aus den letzten Jahren einen erheblichen Nachholbedarf. Dieser alleine beläuft sich auf 5 Prozent oder mehr.

Zusätzlich sind die SGB-Verbände der Meinung, dass sich die Arbeitgeber an den Krankenkassenprämien beteiligen sollen, da auch sie Gesundheitskosten verursachen. Angemessen wäre ein zusätzlicher Beitrag von 50 Franken monatlich an die Krankenkassenprämien, wie das in verschiedenen Industriebetrieben heute schon der Fall ist.

[1] Kaufkraftverlust durch Teuerung, Krankenkassenprämien von 2020-2024, wenn die Nominallöhne auf 2024 stagnieren. Die Berechnung wurde mit den Daten zu Einkommen und Ausgaben gemäss Haushaltsbudgeterhebung erstellt.

[2] Das angenommene Produktivitätswachstum von 0.9 Prozent ist moderat. Zwischen 2015 und 2020 stieg die Arbeitsproduktivität im Schweizer Businesssektor um 1.3 Prozent jährlich.

[3] BFS (2020): Arbeitsunfälle und andere arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme https://dam-api.bfs.admin.ch/hub/api/dam/assets/19204488/master

[4] Gemäss Tompa et al. (2021) betragen die Heilungskosten für berufsbedingte Krankheiten und Unfälle in EU-Ländern rund 0.3 bis 0.4 Prozent des BIP. Zieht man die Heilungskosten für Berufsunfälle in der Schweiz von jährlich rund 600 Mio. Fr. ab, so würden sich die direkten Kosten der Krankheiten auf mehr als 2 Mrd. Fr. belaufen (https://bmcpublichealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12889-020-10050-7#Tab1). Zusammen mit Abwesenheiten (indirekte Kosten) kommt man auf wesentlich höhere Beträge. Die Schätzungen liegen zwischen über 5 bis gegen 20 Mrd. Fr.

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