Dank Mindestlohn nicht nur höhere Löhne, sondern auch mehr Produktivität. Das Beispiel Deutschlands und die Lehren für wachsende, prekäre Branchen in der Schweiz

  • Löhne und Vertragspolitik
Blog Daniel Lampart

Die Kritik von Ökonomen, dass Mindestlöhne zu mehr Arbeitslosigkeit führen würden, zieht sich wie ein roter Faden durch die Mindestlohnpolitik. Es gibt kaum ein Land, in dem vor der Einführung nicht vor grossen sozialen Problemen gewarnt wurde. Ebenfalls ist aber auch der Fall, dass diese Stimmen nach der Einführung rasch verstummen. Weil die Negativszenarien nicht eingetroffen sind.

Eines der grössten Anwendungsbeispiele ist die Einführung des – mit 8.50 Euro/h zugegebenermassen eher tiefen – Mindestlohnes in Deutschland im Januar 2015. Bereits relativ bald nach der Einführung zeichnete sich ab, dass die düsteren Szenarien nicht eintreffen werden. Heute liegen nun detaillierte Analysen vor. Ein aktuelles Paper von deutschen Arbeitsmarktökonomen im renommierten Quarterly Journal of Economics zeigt, dass der Mindestlohn wie gewollt zu höheren Löhnen im Tieflohnsegment, aber nicht zu weniger Beschäftigung geführt hat.

Die StudienautorInnen stellen fest, dass der Mindestlohn insbesondere auch mehr Stellenwechseln von weniger produktiven zu produktiveren Betrieben nach sich gezogen hat. Teilweise gingen Stellen bei weniger produktiven Betrieben verloren, weil diese unter dem neuen Mindestlohn nicht mehr rentabel arbeiten konnten. Gleichzeitig mussten aber auch produktivere Firmen im Tieflohnsegment ihre Löhne anheben. Das führte zu einer Verschiebung der Beschäftigten in diese Betriebe, auch weil diese in der Folge der Marktkorrekturen durch den Mindestlohn mehr Personal benötigten.

Der Mindestlohn ist so gesehen nicht nur sozialpolitisch ein Fortschritt, sondern auch wirtschaftspolitisch, indem die Produktivität angehoben wurde. Diese lohnpolitische Logik wird mit den Namen Rehn und Meidner in Verbindung gebracht: Zwei schwedische Gewerkschaftsökonomen, welche postulierten, über Lohnerhöhungen nicht nur die finanzielle Lage der Arbeitnehmenden zu verbessern, sondern auch die Qualität der Arbeit und der Produktion.

In der Corona-Krise erhält das eine neue Aktualität. So sind im Bereich der Kurierdienste und der Logistik neue Stellen entstanden, die teilweise schlecht bezahlt sind und prekäre Arbeitsbedingungen aufweisen. Gerade in einem hochproduktiven Land mit hohen Löhnen wie der Schweiz geht das 180 Grad in die falsche Richtung. Es ist nicht nur eine gewerkschaftliche, sondern auch eine wirtschaftspolitische Aufgabe, dafür zu sorgen, dass hierzulande überall möglichst gute Löhne bezahlt und möglichst gute Arbeitsbedingungen gewährt werden. Ein GAV mit guten Mindestlöhnen in diesen Bereichen ist deshalb überfällig.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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