Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) kritisiert das vom Bundesrat als abgeschlossen erklärte Abkommen mit der EU. Aufgrund der bislang vorliegenden Informationen zeigt sich, dass damit der Lohnschutz abgebaut und der Service public geschwächt würden. Der SGB wird den endgültigen Text des Abkommens detailliert prüfen und an einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung am 31. Januar 2025 das weitere Vorgehen festlegen. Vom Bundesrat fordert der SGB volle Transparenz über die Inhalte des Abkommens.
Mit dem Abkommen wird es viel schwieriger werden, Schweizer Löhne durchzusetzen. Weil die Schweiz Bussen (Konventionalstrafen) nur schwer im Ausland eintreiben kann, müssen die Firmen heute in verschiedenen Branchen eine Garantie leisten (Kaution). Diese fällt mit dem Abkommen weg. Die vorgesehene «Kaution im Wiederholungsfall» ist eine Farce und wird in der Praxis aus verschiedenen Gründen wirkungslos bleiben. Ebenfalls nicht gewährleistet ist die «Dienst-leistungssperre». Heute untersagen die Kantone 600 bis 1’000 Firmen pro Jahr, in der Schweiz zu arbeiten, weil sie nicht mit den Behörden kooperieren oder viel zu tiefe Löhne bezahlt haben. Ein weiteres Problem ist, dass die Schweiz sich mit dem Abkommen verpflichtet, die EU-Spesenregel zu übernehmen. Die Arbeitnehmenden, die im Auftrag ihrer Arbeitgeber auswärts arbeiten müssen, erhalten die Kosten für Übernachtung und Verpflegung nur noch nach den Regeln in ihrem Herkunftsland erstattet. Obwohl diese Kosten in der Schweiz europaweit zu den höchsten gehören. Die Verkürzung der Voranmeldefrist von 8 auf 4 Tage erschwert die Kontrolltätigkeit, wie ein Pilotversuch in den Kantonen BS und BL gezeigt hat.
Das Abkommen hat auch negative Auswirkungen auf den Service public, indem die Schweiz die gut funktionierende Stromversorgung liberalisieren muss und beim internationalen Personenverkehr auf der Schiene die bewährten Kooperationen mit den Bahnen in den Nachbarländern in Frage gestellt werden.
Der Inhalt des Abkommens ist erst in Grundzügen bekannt. Viele Fragen können erst beantwortet werden, wenn wir wissen, was im Abkommen genau drinsteht. Der SGB hat sich jeweils für eine Öffnung der Schweiz gegenüber der EU ausgesprochen, wenn diese den Arbeitnehmenden nützt und die Löhne gesichert sind. Er wird den Text im Detail analysieren, damit die Delegiertenver¬sammlung am 31. Januar 2025 in Kenntnis der Ausgangslage das weitere Vorgehen bestimmen kann. Er erwartet vom Bundesrat, dass dieser die erforderlichen Informationen zur Verfügung stellt.