Flankierende Massnahmen - damit alle von der Öffnung der Schweiz profitieren. Ein paar Erklärungen - und ein paar Bemerkungen zum Bericht der EFK

  • Flankierende Massnahmen und Personenfreizügigkeit
Blog Daniel Lampart

Die Flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit sind eine Erfolgsgeschichte. Dank den Lohnkontrollen, den Mindestlöhnen und den Sanktionen kann die Schweiz Lohndruck verhindern, obwohl das Land europaweit höchste Löhne hat. Und obwohl es für Firmen aus den viel grösseren Nachbarländern aufgrund der Landessprachen sehr einfach ist, in der für sie attraktiven Schweiz tätig zu sein. Im Unterschied beispielsweise zu Dänemark, das sich bereits sprachlich von Deutschland abgrenzt. Der Schweizer Durchschnittslohn liegt bei über 7‘200 Fr./Mt. (Vollzeit) – gegenüber etwas mehr als 4’000 Fr. in unseren Nachbarländern Deutschland oder Österreich. Im Osten der EU sind die Löhne mit etwas über 1'000 Fr./Mt. nochmals viel tiefer.

Die Schweiz hat sich richtigerweise entschieden, den Lohnschutz einerseits auf den bestehenden Gesamtarbeitsverträgen aufzubauen. Andererseit hat sie den Kantonen in den Branchen ohne GAV eine grosse Vollzugsautonomie gegeben. Durch die GAV erhält der Maler einen Malerlohn und nicht 4000 Franken. Und durch diese Struktur ist es möglich, die gute Zusammenarbeit zwischen Sozialpartnern und Behörden in den besonders exponierten Grenzkantonen Genf und Tessin voll zur Verhinderung von Lohndumping zu nutzen.

Die Firmen (Entsendefirmen) aus dem Ausland bilden ein besonderes Dumpingrisiko. Bzw. die Entsendung von Arbeitnehmenden ist grundsätzlich eine prekäre Arbeitsform, die besonders gut kontrolliert werden muss. Denn die entsandten Arbeitnehmenden kommen ausnahmslos aus einem Arbeitsmarkt mit tieferen Löhnen. Und sie sind nur vorübergehend in der Schweiz, was eine gewerkschaftliche Organisation verunmöglicht. Schweizer Arbeitgeber hingegen rekrutieren auf dem Schweizer Arbeitsmarkt mit den höheren Löhnen. D.h. dass bereits der Arbeitsmarkt selber ein gewisser Schutz vor Dumping bildet.

Weil die Entsendung mit einem besonders hohen Dumpingrisiko verbunden ist, braucht es dort viel mehr Kontrollen. 2021 wurden 31 Prozent dieser Firmen kontrolliert. Dabei wurden bei jeder fünften Kontrolle zu tiefe Löhne festgestellt. Nicht zu unterschätzen ist die präventive Wirkung. Wüssten die Firmen, dass sie nicht kontrolliert werden, so würden die meisten ihre Löhne nicht auf Schweizer Niveau anpassen. Es gäbe dann viel mehr Lohnunterbietungen. Für die Schweizer Arbeitnehmenden wäre das schlecht. Denn in gewissen Branchen (Küchenbau, Gartenbau, Zimmerei u.a.) und Regionen haben die ausländischen Firmen bereits heute Marktanteile im Bereich von 20 Prozent. Wertet sich der Franken weiter auf, so wird die Schweiz noch attraktiver.

Deutschland kontrolliert beispielsweise viel weniger als die Schweiz. Dort ist der Staat (Zoll) zuständig. Dass die Kontrollen ungenügend sind, kam während der Corona-Krise in der Deutschen Fleischverarbeitung klar zum Vorschein. Auch die Öffentlichkeit bekam mit, was die Gewerkschaften in diesem Bereich schon lange kritisierten: Schlechte Löhne, Arbeitsbedingungen und Unterkünfte.

Der in den Medien breit rezipierte Bericht der Eidg. Finanzkontrolle EFK kritisierte ausgerechnet die Zahl der Kontrollen, was unter den Sozialpartnern Alarmstimmung auslöste. Denn bereits die EU-Kommission verlangt für ihre Unternehmen, dass die Schweiz wesentlich weniger kontrolliert. Dabei ist es im Alltag bereits heute alles andere als einfach, die Schweizer Löhne durchzusetzen. Das wissen alle, die bei den Kontrollen dabei sind. Die EFK berücksichtigt in ihrer Beurteilung weder die enorme präventive Wirkung der Kontrollen. Noch den föderalen Vollzug. Weil jeder Kanton für die Löhne in seinem Gebiet zuständig ist, kann dieselbe Firma in Zürich und in Aarau kontrolliert werden. Das ist zwar die Ausnahme. Aber es ist die Folge des vom Gesetzgeber festgelegten föderalen Vollzugs.

Für den Vollzug haben die Kontrollorgane in Bezug auf die IT stark aufgerüstet. Ein grosser Teil der Daten aus den Firmenmeldungen wird elektronisch in die Kontrollsysteme eingelesen. Die Kontrolleure haben bei den Kontrollen ihre Computer dabei, in denen sie die Daten zur Verfügung haben und die Kontrollergebnisse gleich erfassen können. Die Weiterverarbeitung ist ebenfalls stark automatisiert. Ein Nachteil des Föderalismus ist aber, dass es noch einzelne Kantone gibt, wo die Datenübertragung noch nicht so funktioniert wie sie sollte.

Dank der guten Zusammenarbeit mit dem Seco konnte das Verfahren bei der Anmeldung von ausländischen Firmen stark beschleunigt werden. Ein weiterer Verbesserungsschub erfolgte im letzten Jahr. Es geht aus dem EFK-Bericht nicht hervor, ob dieser bei der vor allem 2020 durchgeführten Untersuchung berücksichtigt wurde. Ebenfalls vorgesehen war eine IT-Plattform für den Datenaustausch zwischen den Kontrollorganen. Der Ständerat hat diese aber am 14. Juni 2022 abgeschossen. Der Föderalismus macht das Meldeverfahren träger, da die Kantone die Voraussetzungen für die Gültigkeit der Meldungen von ausländischen Firmen überprüfen müssen. Das braucht Zeit. Aus gewerkschaftlicher Sicht könnte die Überprüfung der Meldevoraussetzungen beim Bund zentralisiert werden.

Wäre die EFK nicht mit der unsinnigen Provokation der hohen Kontrollzahlen aufgefahren, hätte der Bericht vielleicht sogar die eine oder andere interessante Diskussion auslösen können. Es ist richtig, dass die Schweizer Firmen (zu) wenig kontrolliert werden. Im Kanton Bern wird die Durchschnittsfirma nur alle 100 Jahre kontrolliert. Der Kanton Zug weigert sich sogar, mit dem Bund Ziele zu vereinbaren.

Es ist auch richtig, dass Firmen mit zu tiefen Löhnen in Branchen ohne Mindestlöhne nicht gebüsst werden können. Entsprechende Ermahnungen der Kantone landen deshalb vor allem bei Schweizer Firmen im Papierkorb. Die Gewerkschaften sagen schon lange, dass die Kantone im Dumpingfall Mindestlöhne erlassen müssen. Aber in der Deutschschweiz wird das kaum gemacht.

Die Gewerkschaften und ihre Mitglieder haben der Einführung der Personenfreizügigkeit zugestimmt, unter der Bedingung, dass die Löhne geschützt werden. Das nach intensiven, anspruchsvollen Diskussionen. Die GewerkschaftskollegInnen im Ausland fragen sich regelmässig, wie denn ihre Basis abstimmen würde, wenn es Volksabstimmungen zur Personenfreizügigkeit und zu den Entsendungen geben würde.

Die Gewerkschaften setzen sich weiterhin vehement für faire Arbeitsbedingungen und gegen Dumping ein. Damit in der Schweiz Schweizer Löhne bezahlt werden. Von der Öffnung der Schweiz müssen alle profitieren.

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

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