Der SGB hat die Öffnung gegenüber der EU bisher immer mitgetragen, wenn sie den Arbeitnehmenden in der Schweiz nützte. Im Hinblick auf die bevorstehenden Verhandlungen zur Erweiterung der Bilateralen Verträge heisst das, dass insbesondere der Lohnschutz und der Service public gewährleistet sein müssen.
Der SGB fordert konkret, dass beim Lohnschutz die Spesen, die Dienstleistungssperre und die Kaution gesichert werden. Zudem braucht es Verbesserungen im Inland: bei der Allgemeinverbindlich-Erklärung von Gesamtarbeitsverträgen und bei der Regulierung der Temporärarbeit. Beim Strom und beim internationalen Personenverkehr verlangt der SGB Kooperations- statt Marktzugangsabkommen, damit der Service public gewährleistet bleibt. Im Stromdossier braucht es eine Lösung im Hochspannungsbereich – und nicht den Anschluss an den liberalisierten EU-Binnenmarkt. Der Bundesrat muss deshalb beim Mandat nachbessern.
Die Bundesverwaltung hat in den Sondierungsgesprächen erhebliche Zugeständnisse gemacht, die den Lohnschutz und den Service public beim Strom und bei der Bahn gefährden. Beispielsweise würden die heutigen Schutzmassnahmen der Kaution und der Dienstleistungssperre geschwächt oder fast wirkungslos. Zusätzlich müsste die Schweiz das EU-Spesenrecht übernehmen (Spesen gemäss Herkunftsland), was zu Lohndruck und unfairer Konkurrenz führen würde. Bei der Stromversorgung und beim internationalen Schienenverkehr drohen statt regulierter Grundversorgung und Kooperation Wettbewerb und Liberalisierung. Ein erstes positives Zeichen ist immerhin, dass der Bundesrat die Absicht hat, über das «Common Understanding» hinauszugehen und wenigstens die Spesenfrage zu verhandeln.
Der Lohnschutz in der Schweiz ist – unabhängig von Abkommen – bereits seit Längerem unter Druck. Prekäre Anstellungsformen wie die Temporärarbeit haben zugenommen. Der Vollzug in den Kantonen – insbesondere in der Deutschschweiz – ist ungenügend. Temporärarbeit wird gefördert und Dumping zu wenig geahndet. Die kurzlebigen Lieferketten bedrohen die Gesamtarbeitsverträge. Der Lohnschutz in der Schweiz muss deshalb verbessert und nicht verschlechtert werden. Die Arbeitgeber haben sich bisher geweigert, diese Probleme anzugehen und zu lösen.