Gestresste Frau fasst sich an den Kopf

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Über die Hälfte der Schweizer Arbeitnehmenden sind berufsbedingten Gesundheitsrisiken und Stress ausgesetzt

  • Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz
Medienmitteilung

Europäische Studie zeigt Defizite in der Schweiz auf

Mehr als die Hälfte der Schweizer Arbeitnehmenden sind berufsbedingten psychosozialen Risiken und weiteren Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Dies zeigt die neuste Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen (EWCS). Das sind fast doppelt so viele wie noch vor 20 Jahren.

Gemäss der neuen Studie leiden heute fast doppelt so viele Arbeitnehmende unter Stress wie noch in der Stressstudie des Staatssekretariats für Wirtschaft(Seco) aus dem Jahr 2000: Damals betrug der Anteil derjenigen Personen, die sich häufig oder sehr häufig gestresst gefühlt hatten, «nur» 27 Prozent. Schon 2010 war das Bild deutlich anders: Etwa ein Drittel der Schweizer Erwerbsbevölkerung (34%) berichteten damals, sich häufig oder sehr häufig gestresst zu fühlen.

Laut der neusten EWCS-Studie, für die das Seco und die Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (Ekas) 1'224 repräsentativ ausgewählte Arbeitnehmende im Jahr 2021 telefonisch interviewten, leiden 59 Prozent der Arbeitnehmenden oft oder immer unter hohem Arbeitstempo und 52 Prozent unter Termindruck. Das ist deutlich mehr als im europäischen Durchschnitt (49 und 47%). Eine Mehrheit der Schweizer Angestellten berichtete zudem von Belastungen für den Bewegungsapparat (55%), was wiederum unter dem, europäischen Durchschnitt von 66 Prozent liegt

Generell zeigen die Ergebnisse der Studie, dass der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in der Schweiz schwach ist. Neben der psychischen Belastung leiden viele Arbeitnehmer in der Schweiz an Gesundheitsbeschwerden wie Rückenschmerzen, Muskelschmerzen und Kopfschmerzen. Dies ist vor allem auf die hohe Arbeitsintensität und die Belastung des Bewegungsapparates zurückzuführen.

Die EWCS zeigt auch, dass viele Arbeitnehmende in der Schweiz Überstunden machen müssen, um überhaupt den Arbeitsandrang bewältigen zu können. Dies führt zu weiterem Stress und Überarbeitung, was sich negativ auf die Gesundheit auswirkt. Die EWCS macht deutlich, dass der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in der Schweiz verbessert werden muss. Die Schweiz liegt in den verschiedenen Untersuchungen bezüglich Risikoprävention und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz lediglich im Mittelfeld.

Keine weitere Verschlechterung der Gesetzgebung – im Gegenteil  

Angesichts der obigen Zahlen ist es besonders schockierend, dass im Schweizer Parlament eine ganze Reihe von Vorstössen in der Pipeline sind, die den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz weiter verschlechtern würden. So will ein Vorstoss des Zürcher FDP-Nationalrats Marcel Dobler im Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes den psychosozialen Schutz (Schutz vor Stress) aufheben. Die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates berät darüber am kommenden 28. August. Ein weiterer Vorstoss des Aargauer FDP-Ständerats und Parteipräsidenten Thierry Burkart nimmt das Homeoffice als Vorwand, um Nacht- und Sonntagsarbeit im Büro einzuführen.

Dies ist in der Schweiz besonders pervers, da hier bereits sehr lange gearbeitet wird und die Arbeitszeiten in den letzten Jahren trotz grosser Produktionsgewinne nicht gesunken sind. Zusammen mit dem schwachen Gesundheitsschutz hat dies zu einer regelrechten Burnout-Epidemie geführt. Bis 1990 reduzierte sich die betriebsübliche Arbeitszeit alle 10 Jahre um ein bis zwei Stunden – bei gleichem Lohn. Seither müssen Arbeitnehmende, welche den grossen Stress nicht mehr aushalten und ihre Gesundheit schützen wollen, die Arbeitszeitverkürzungen selber bezahlen – indem sie Teilzeit arbeiten und weniger Lohn erhalten. Dies ist gerade in Care- oder den LehrerInnen-Berufen Realität.

Auch schwangere Frauen sind in der Schweiz besonders schlecht geschützt: diese müssen sich häufig krankschreiben lassen, weil der Arbeitgeber keine Schutzmassnahmen ergreift. Dabei haben immer noch viele Arbeitnehmende keine Krankentaggeldversicherung, so dass sie krankheitsbedingte Absenzen teuer zu stehen kommen. 

Der SGB fordert das Parlament auf, angesichts der alarmierenden Zahlen in der EWCS-Studie jede Verschlechterung des Arbeitsgesetzes abzulehnen. Im Gegenteil muss für einen besseren Schutz vor psychosozialen Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz gesorgt werden sowie einen besseren Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen und die Einführung einer obligatorischen, universellen Krankentaggeldversicherung für alle.

Zuständig beim SGB

Luca Cirigliano

Zentralsekretär

031 377 01 17

luca.cirigliano(at)sgb.ch
Luca Cirigliano
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