Lernende im Gespräch mit Lehrmeister

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Einheitliches Qualifikationsverfahren statt schriftlicher Abschlussprüfung

  • Bildung & Jugend
Artikel
Verfasst durch Nicole Cornu

Reform der Allgemeinbildung in der Berufsbildung

Seit jeher setzen sich die Gewerkschaften für eine Stärkung des Allgemeinbildenden Unterrichts (ABU) in der Berufsbildung ein, damit sich Lernende – egal ob Jugendliche oder Erwachsene – persönlich, gesellschaftlich und beruflich möglichst gut entwickeln und ihr Potenzial verwirklichen können. Nicht nur in ihrer Rolle als Arbeitnehmer:in, sondern auch als Individuum, Staatsbürger:in und Teil der Gesellschaft. Neben dem berufskundlichen Unterricht vermittelt der ABU grundlegende Kompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, politische Bildung sowie kritisches Denken und leistet damit einen wichtigen Beitrag für mehr Chancengleichheit. Der ABU soll Lernende in ihren persönlichen Ressourcen und Selbständigkeit bestmöglich unterstützen. Im Hinblick auf die soziale Mobilität soll der ABU deshalb möglichst breit und berufsunabhängig, jedoch lebenspraktisch und handlungsorientiert gestaltet sein.

Nach fast zwanzig Jahren soll die Verordnung über Mindestvorschriften für den Allgemeinbildenden Unterricht (ABU) in der beruflichen Grundbildung totalrevidiert werden. In der Vernehmlassung hat sich der SGB für eine Stärkung des ABU in Form eine Vereinheitlichung und Erhöhung der Verbindlichkeit ausgesprochen und dafür, dass die neue Verordnung den ABU künftig für alle beruflichen Grundbildungen gleich regeln wird. Ebenso forderte der SGB, dass auch die Umsetzung in den Kantonen und die Ausgestaltung kantonaler Schullehrpläne möglichst einheitlich erfolgen soll.

Das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) hatte eine Verordnungsrevision in die Vernehmlassung geschickt, welche im Rahmen der Verbundpartnerschaft vorgängig gemeinsam erarbeitet worden war und die eine Neugestaltung des Qualifikationsverfahrens vorsah. Die bis dahin schriftliche ABU-Abschlussprüfung sollte durch eine Mischung aus Erfahrungsnote und Schlussarbeit (inkl. einer Präsentation und eines Prüfungsgesprächs) ersetzt werden. Der SGB unterstützte diesen Vorschlag und sprach sich im Rahmen seiner Vernehmlassungsantwort für eine höhere Gewichtung der Erfahrungsnote aus.

Einheitliche Standards statt kantonaler Willkür

An ihrer Sitzung vom 12. Februar sprach sich die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates (WBK-S) nun plötzlich dafür aus, die schriftliche Schlussprüfung doch beizubehalten, beziehungsweise den Kantonen diesbezüglich Umsetzungsfreiheit zu gewähren. Dieser Entscheid konterkariert den verbundpartnerschaftlich erarbeiteten Vorschlag einer Neugestaltung des Qualifikationsverfahrens basierend auf Erfahrungsnoten sowie einer aufgewerteten Schlussarbeit mit Präsentation und vertiefender mündlicher Prüfung.

Das würde bedeuten, dass weiterhin unterschiedliche Regelungen in den Kantonen bestehen bleiben könnten. Damit würde die schweizweite Verbindlichkeit in Bereich der Qualitätssicherung – eines der wichtigsten Ziele der Reform – aufgegeben. Der SGB stellt sich nach wie vor hinter das zu Beginn des Reformprojektes «Allgemeinbildung 2030» definierte Ziel einer schweizweiten Harmonisierung der Allgemeinbildung, um Chancengerechtigkeit und Rechtsgleichheit für alle Lernenden sicherzustellen. Bereits heute bestehen erhebliche Unterschiede in der Umsetzung des allgemeinbildenden Unterrichts (ABU) zwischen den Kantonen und Berufsfachschulen, was die Vergleichbarkeit erschwert. Eine nationale Lösung würde die Mobilität der Lernenden erhöhen und die Gleichwertigkeit der Abschlüsse sichern.

Stärkung der Handlungskompetenz statt veraltete Prüfungsformen

Das Reformprojekt «Allgemeinbildung 2030» setzt auf eine Stärkung der Handlungskompetenz der Lernenden. Die bisherige Schlussprüfung ist ein Relikt vergangener Pädagogik, das die aktuellen Anforderungen an die Allgemeinbildung nicht mehr widerspiegelt. Eine praxisnahe Abschlussarbeit mit mündlicher Präsentation und anschliessendem Prüfungsgespräch fördert hingegen die nachhaltige Anwendung von Wissen und Kompetenzen in realen Handlungssituationen und stellt für viele Lernende eine Chance dar. 

Gewerkschaften fordern verbindliche Umsetzung der Reform

Der SGB fordert das SBFI und den Bundesrat auf, an der geplanten Revision der Verordnung festzuhalten und die Abschlussarbeit inkl. Präsentation und Prüfungsgespräch als neuen Standard im Qualifikationsverfahren der Allgemeinbildung – neben den beizubehaltenden Erfahrungsnoten – zu verankern. Eine einheitliche Lösung auf nationaler Ebene ist entscheidend, um die Vergleichbarkeit und Durchlässigkeit der Abschlüsse zu gewährleisten. Die Berufsbildung darf nicht in ein kantonales Flickwerk aus unterschiedlichen Prüfungsmodalitäten zerfallen.
 

Zuständig beim SGB

Nicole Cornu

Zentralsekretärin

031 377 01 23

nicole.cornu(at)sgb.ch
Nicole Cornu
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