Foto: Yoshiko Kusano für den SGB

 

Dossier 157: Frauen in der Altersvorsorge

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Eine Analyse der Gründe für die Rentenlücke von einem Drittel und weshalb Altersarmut in der Schweiz weiblich ist.

Die Erhöhung des Frauenrentenalters hat die Rentenungleichheit der Geschlechter zu Recht in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die Einkommensunterschiede im Alter sind hoch – und Besserung ist nicht in Sicht. Das SGB-Dossier 157: Frauen in der Altersvorsorge analysiert die Gründe für die Rentenlücke der Frauen von durchschnittlich einem Drittel und zeigt auf, weshalb die Altersarmut in der Schweiz weiblich ist. Es zeigt, weshalb die Altersvorsorge heute nicht genügend Rücksicht nimmt auf die Erwerbsbiografien der Frauen. Und weshalb Frauen heute doppelt so häufig Ergänzungsleistungen wie Männer brauchen.

Die Zahlen sind deutlich: Frauen erhalten 19’000 Franken weniger Rente als Männer. Die zwei wichtigsten Gründe für diese Rentenlücke sind erstens die tieferen Löhne der Frauen und zweitens die Auswirkungen eigener Kinder. Dabei wirken sich Kinder je unterschiedlich auf die Renten von Männern und Frauen aus. Männer mit Kindern haben eine höhere Rente als Männer ohne Kinder. Obwohl bzw. eben gerade weil die Frauen nach wie vor die Hauptlast der unbezahlten Erziehungs- und Betreuungsarbeit übernehmen.

Die drei Vorsorge-Säulen spielen jeweils äusserst unterschiedliche Rollen und haben entsprechend auch andere Auswirkungen auf die Rentensituation der Frauen. Das vorliegende Dossier zeigt dies auf und zeigt, wie die AHV den Ausgleich schafft, aber auch, weshalb die tiefen Frauenrenten mit der vorgeschlagenen BVG-Reform nicht ausgeglichen werden können. Und warum die 3. Säule für die Mehrheit der Frauen praktisch unbedeutend ist.
Entscheidend ist der Fakt, dass die Betreuungsarbeit nur in der AHV anerkannt wird. Für eine Person mit voller Beitragsdauer bedeutet ein Kind eine Erhöhung der AHV-Rente um bis zu 350 Franken pro Monat. Die Rente in der Pensionskasse ist heute hingegen untrennbar mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit und dem dabei verdienten Lohn verknüpft. Anders als in der AHV gibt es keinen Mechanismus, der die Erziehungs- und Betreuungsarbeit abgelten würde.
In der AHV funktioniert ausserdem auch der Ausgleich zwischen den Geschlechtern unabhängig vom Zivilstand. Doch genau dieser Ausgleich ist durch das vom Bundesrat angekündigte, drastische Sparprogramm bei den Witwenrenten bedroht. In den Pensionskassen bleiben die Renten der Frauen unabhängig vom Zivilstand hinter jenen der Männer zurück. Bei den ledigen Personen ist der Unterschied wesentlich kleiner – er beträgt hier knapp 9 Prozent. Bei den Verheirateten und Verwitweten steigt die Rentenlücke auf fast 50 Prozent. Und selbst nach einer Teilung der Guthaben im Scheidungsfalle bleiben die Pensionskassen-Renten der geschiedenen Männer über einen Drittel höher als jene der geschiedenen Frauen. Frauen tragen in der 2. Säule das finanzielle Hauptrisiko einer Scheidung.
Die gesetzliche Benachteiligung Teilzeitbeschäftigter ist in der grossen Mehrheit der Pensionskassen hingegen bereits abgemildert. Die aktuelle Reform will diesen Schritt auch im Gesetz vollziehen – hat ihn aber mit einer Senkung des Umwandlungssatzes verknüpft. Deshalb führt die Reform nicht zu raschen Rentenverbesserungen. Vielmehr wäre die BVG-Reform für betroffene Frauen in Tieflohnbranchen mit grossen Nettolohnverlusten verbunden. Für viele Versicherte bedeutet die Reform deshalb unter dem Strich: mehr bezahlen für weniger Rente. Dies noch ohne Berücksichtigung der Tatsache, dass es in den Pensionskassen weiterhin keinen Schutz der Arbeiterinnen und Arbeiter vor der Inflation gibt. Für jene mit tiefen Pensionskassen-Renten – überwiegend Frauen – ist dies besonders problematisch.

Damit wird deutlich: der Druck auf die Frauen in der Altersvorsorge bleibt nach der Erhöhung des Rentenalters der Frauen auf 65 Jahre weiter hoch. Anstatt die diskriminierende Rentenlücke zu beseitigen, sind bereits in der Umsetzung von AHV 21 weitere unnötige Verschlechterungen geplant. So will der Bundesrat die Rentenzuschläge für die am stärksten betroffenen Frauen der Übergangsgeneration nicht wie sämtliche anderen Geldleistungen der AHV an die Lohn- und Preisentwicklung anpassen. Und in vielen Pensionskassen verschlechtern sich die Leistungen der Frauen bei den AHV-Überbrückungsrenten. Mit der BVG-Reform kommt die nächste Abbauvorlage voraussichtlich bereits im Frühling 2024 zur Abstimmung. Auch sie beseitigt die Ursachen der tiefen Frauenrenten nicht. Und mit dem Sparprogramm bei der AHV wird der Bundesrat bereits diesen Wahlherbst einen drastischen Abbau der Leistungen an Witwen vorantreiben.

Einziger Lichtblick ist die 13. AHV-Rente. Gemessen an der mittleren AHV-Rente bedeutet sie eine Rentenverbesserung von rund 150 Franken pro Monat, und zwar für alle heutigen wie auch alle zukünftigen Rentner:innen. Sie knüpft direkt am bewährten System der heutigen Erziehungs- und Betreuungsgutschriften an und stärkt damit die Berücksichtigung der unbezahlten Arbeit in der Altersvorsorge – und dies, ohne die Kosten für Personen mit tiefen und mittleren Einkommen, deren Kaufkraft aufgrund sinkender Reallöhne und steigender Lebenskosten bereits arg unter Druck ist, weiter unnötig in die Höhe zu treiben. Dies wird möglich, weil sich nur Personen mit sehr hohen Einkommen direkt an der dringend benötigten Rentenverbesserung beteiligen.

Zuständig beim SGB

Gabriela Medici

stv. Sekretariatsleiterin

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Gabriela Medici
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