Die Wahlen vom 20. Oktober 2019 haben die politische Situation in der Schweiz verändert. Für Pierre-Yves Maillard, Präsident des SGB und neu in den Nationalrat gewählt, ist der Weg nun frei für wirklich fortschrittliche Projekte im Parlament. Welche Kraft die sozialen Bewegungen für Gleichstellung und Klima haben, hat sich bei den Wahlen gezeigt. Das beweist, dass die Bevölkerung konkrete Veränderungen erwartet.
«Diese Wahlen verändern die politischen Kräfteverhältnisse in der kommenden Legislaturperiode», sagte Pierre-Yves Maillard. «Bisher gab es den bürgerlichen Block aus FDP und SVP, der alles im Nationalrat blockieren konnte. Von nun an können soziale Kompromisse mit den Parteien der Mitte eine Mehrheit finden». Der Präsident des SGB sieht darin auch eine deutlich günstigere Situation für die jüngst von den Gewerkschaften ausgehandelten Lösungen, wie z.B. die Vereinbarung mit den Arbeitgebern über die betriebliche Altersversorgung oder mit dem Bundesrat, z.B. über die Überbrückungsrente für ältere Arbeitnehmende. «Es ist eine Chance aber auch eine grosse Verantwortung für die fortschrittlichen Kräfte, bereits im Parlament erfolgreich zu sein, ohne Volksinitiativen oder Referenden durchführen zu müssen».
Konkrete Ergebnisse
Auch ausserhalb des Parlaments zeichnen sich grosse Auseinandersetzungen ab. Maillard: «Erstens müssen wir die ausserordentliche Dynamik des Frauenstreiks fortsetzen.» Dies habe beim Einzug vieler neuer Parlamentsmitglieder eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. «Mit der Gleichstellungsbewegung und den Klimastreiks der jungen Menschen erfährt die Schweiz ein politisches Mobilisierungsniveau, das sie seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat», so der SGB-Präsident. «Die Gewerkschaften werden daran mitarbeiten, diese Mobilisierung in konkrete Ergebnisse umzusetzen!»
Keine fremdenfeindliche Instrumentalisierung der europäischen Frage
Auch die Verteidigung der Arbeitsbedingungen wird Anfang 2020 mit der Volksabstimmung über die SVP-Initiative gegen die Personenfreizügigkeit auf der Tagesordnung stehen. Maillard: «Angesichts dieser Initiative werden wir den bilateralen Weg, die Freizügigkeit und die flankierenden Massnahmen als Ganzes verteidigen, weil sie den Arbeitnehmern zu Gute kommen.» Nach mehr als einem Jahr Diskussion über diese Themen, habe die Öffentlichkeit die Bedeutung des Lohnschutzes erkannt. «Wir werden», so der Gewerkschaftschef weiter, «die wahren Absichten der SVP auf den Punkt bringen: das System der Gesamtarbeitsverträge zu zerstören, die Arbeitnehmerrechte abzubauen und Druck auf das Schweizer Lohnniveau auszuüben.» Pierre-Yves Maillard erinnerte daran, dass die Gewerkschaften sich auf europäischer Ebene für eine «Harmonisierung nach oben» einsetzen und dabei von den anderen Gewerkschaften in Europa unterstützt werden.
Die neue Zusammensetzung des Parlaments muss es ermöglichen, wirksame politische Antworten auf Fragen der Lohnhöhe, der Kaufkraft oder der Altersvorsorge zu finden. «Nur durch Kompromisse, die eine Mehrheit der Menschen überzeugen und konkrete Verbesserungen im Alltag bewirken können, werden wir eine fremdenfeindliche Instrumentalisierung der europäischen Frage vermeiden.»