Ein Vater gibt seinem Kind Milch

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Die Schweiz braucht mindestens vier Wochen Vaterschaftsurlaub

  • Gleichstellung von Mann und Frau
Artikel
Verfasst durch Regula Bühlmann

Der Ständerat darf in der Familienpolitik nicht den Anschluss verpassen

Vier oder zwei Wochen Vaterschaftsurlaub: Der Ständerat hat's in der Hand. Klar ist: Will die Schweiz in der Familienpolitik nicht den Anschluss verpassen, muss sie Kinder von der Frauen- endlich zur Elternsache machen.

Noch sind Kinder in der Schweiz in erster Linie Frauensache. Sind sie krank, bleibt die Mutter zu Hause. Fällt der Babysitter aus oder der Vater kann kurzfristig seinen Papitag nicht wahrnehmen, die Mutter organisiert Ersatz. Und in den meisten Familien arbeiten die Väter Vollzeit und die Mütter Teilzeit oder nur unbezahlt.

Das hat Folgen: Die Mütter fehlen als Fachkräfte im Arbeitsmarkt. Und wenn sie arbeiten, verdienen sie weniger, weil sie weniger gut bezahlte Posten bekommen. Im Alter reicht dann die Rente nirgendwo hin -schon die Scheidung ist in solchen Konstellationen ein Armutsrisiko. Und Väter riskieren dann, vom Feierabend- zum alle-zwei-Wochen-Papi zu werden. Kinder kötnnen auch Männersache sein, liesse man die Väter von Anfang an Verantwortung übernehmen.

Die Schweiz scheint das nicht wirklich zu wollen. Die EU und fast alle OECD-Länder geben Vätern von Anfang an die Möglichkeit, sich aktiv in die Betreuung der Kinder einzubringen. Vaterschaftsurlaub und Elternzeit ermöglichen ihnen, ab Geburt eine enge, eigenständige Beziehung zu ihnen aufzubauen. Die Schweiz dagegen kennt weder einen gesetzlich verankerten Vaterschaftsurlaub noch eine Elternzeit. Wir haben viel aufzuholen, damit Kinder nicht Frauensache bleiben. Die Initiative für den Vaterschaftsurlaub, die der Ständerat in der Sommersession behandeln wird, ist eine Chance dafür.

Natürlich gibt es firmenspezifische oder GAV-Regelungen, die Vätern mehr als den Tag zugestehen, der häufig noch nicht einmal reicht, um die ganze Geburt mitzuerleben. Aber das Recht auf eine angemessene Zeit mit dem neugeborenen Kind steht allen Vätern zu und nicht nur denjenigen, die das Glück haben, in einem familienfreundlichen Unternehmen zu arbeiten.

Auch der Bundesrat gesteht den Bedarf ein. Doch er will Massnahmen in der Kinderbetreuung den Vorzug geben und lehnt einen gesetzlich verankerten Vaterschaftsurlaub ab. Es geht aber nicht um ein Entweder-oder: Es braucht einen Vaterschaftsurlaub und ein ausgebautes Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung, das Vätern und Müttern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht.

Die Kosten sind seit jeher das Hauptargument gegen eine bessere Familienpolitik. Doch wir müssen Prioritäten setzen. Die öffentlichen Ausgaben für die vorschulische Kinderbetreuung sind schwieriger zu eruieren, da es in der Schweiz keine entsprechenden Berechnungen gibt. Die OECD geht aber davon aus, dass die öffentliche Hand in der Schweiz dafür jährlich weniger als 0,2 Prozent des Bruttoinlandproduktes ausgibt - knapp 1.3 Milliarden Franken. Das ist nur etwa ein Viertel dessen, was der Bund jährlich für die Landesverteidigung ausgibt. Auch bei den Erwerbsausfallentschädigungen aus der EO sind die hypothetischen Ausgaben für einen Vaterschaftsurlaub nur etwa halb so hoch wie die jährlichen Dienstentschädigungen.

Der Ständerat muss die Prioritäten richtig setzen: Es ist wenig zukunftsgerichtet, bei der Familienpolitik zu sparen. Diese ist eine gesellschaftlich sinnvolle und wirtschaftlich lohnende Priorität, wie eine Vielzahl an Studien belegt. Der SGB fordert deshalb schon lange Lösungen, die weitergehen als das gesetzliche Minimum von 14 Wochen zu 80% bezahltem Mutterschaftsurlaub. Und es braucht einen Vaterschaftsurlaub. Wir erachten ein Minimum von 8 Wochen als angemessen, damit die Erholung von der Geburt und der Start als Familie gelingt. Im Anschluss an die geburtsbezogenen Urlaube wäre eine Elternzeit nach europäischem Vorbild sinnvoll, um die Eltern in der Organisation des Familienalltags zu entlasten.

Doch in dieser Sommersession geht es erstmal um die Minimallösung: Die Schweiz braucht den Vaterschaftsurlaub - und zwar die vollen vier Wochen gemäss Initiative und nicht bloss die Hälfte, die der Gegenvorschlag der Ständeratskommission vorsieht. Damit alle Väter unabhängig vom Arbeitgeber von Anfang an Teil der Familie sein, Verantwortung für ihre Kinder übernehmen und die Mütter entlasten können. Damit Kinder nicht mehr Frauen-, sondern Elternsache sind.

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