Mehr als jedes zweite Unternehmen foutiert sich um die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern – und verletzt das Gleichstellungsgesetz. Dabei sind die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern nach wie vor viel zu hoch. Das Gleichstellungsgesetz in seiner aktuellen Form ist gescheitert und hat keine spürbaren Verbesserungen gebracht. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fordert daher Lohnkontrollen und Bussen - und zwar für alle Unternehmen, die beim Lohn diskriminieren. Selbst mit einem Lehrabschluss verdienen vier von zehn Frauen weniger als 5’000 Franken pro Monat, und jede vierte muss sich sogar mit einem Lohn von weniger als 4’500 Franken begnügen.. Das ist inakzeptabel. Frauen in der Schweiz müssen ohne Diskriminierung von ihrer Arbeit leben können.
Der heute veröffentlichte, vom Bundesamt für Justiz in Auftrag gegebene externe Evaluationsbericht zur Revision des Gleichstellungsgesetzes (GlG) zieht eine erschreckende Zwischenbilanz der Umsetzung der Lohngleichheitsanalysen in den Unternehmen der Schweiz. Die Mehrheit der betroffenen Arbeitgeber hat diese gesetzlich vorgeschriebenen Analysen seit 2020 nicht ordnungsgemäss durchgeführt. Bei allen drei gesetzlich vorgeschriebenen Schritten – der Lohnanalyse, der Überprüfung der Analyse durch ein unabhängiges externes Organ und der transparenten Kommunikation der Ergebnisse an die Mitarbeitenden – wurden eklatante Verstösse gegen geltendes Recht festgestellt. Diese düstere Bilanz bestätigt leider, was die Gewerkschaften seit Beginn der Diskussionen über die Revision des Gleichstellungsgesetzes immer wieder betont haben: Massnahmen ohne Kontrollen und Sanktionen reichen nicht aus.
Lohnungleichheiten verschwinden nicht von selbst
Zur Erinnerung: Frauen verdienen im Durchschnitt immer noch 1’354 Franken weniger pro Monat als Männer, also 16,2 Prozent (Wert für 2022). Darüber hinaus nimmt der unerklärbare Anteil dieser Unterschiede stetig zu. Laut der jüngsten Schweizerischen Lohnstrukturerhebung (LSE) lässt sich fast die Hälfte des geschlechtsspezifischen Lohnunterschieds (48.2%), sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor, nicht durch objektive Faktoren wie Branche, Ausbildung, Alter usw. erklären. Dieser unerklärbare Anteil war seit Beginn der Analysen im Jahr 2012 noch nie so hoch.
Die Arbeitgeber müssen ihre Verantwortung wahrnehmen und die Politik muss aufwachen
Die Arbeitgeber, die sich nicht an das Gesetz gehalten haben, müssen nun unbedingt angehalten werden, dieses umzusetzen, ihre Löhne zu analysieren, diese Analyse von einer unabhängigen Stelle überprüfen zu lassen und die Ergebnisse transparent an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu kommunizieren. Auch der Bundesrat und das Parlament müssen schnell handeln, um die Situation zu korrigieren. Für den SGB ist es unverständlich, dass der Bundesrat beschlossen hat, die für Ende 2027 geplante Schlussbewertung des Gleichstellungsgesetzes abzuwarten, bevor er Massnahmen zur Erreichung der Lohngleichheit vorschlägt. Die Bilanz des heute veröffentlichten Zwischenbewertungsberichts ist klar genug, um die sofortige Einführung verbindlicherer Massnahmen für die Unternehmen zu rechtfertigen.
Der SGB fordert eine rasche Anpassung des GlG auf Grundlage der folgenden Massnahmen:
- Verbindliche Kontrollen sowie Sanktionen für Unternehmen, die sich weigern, ihre Löhne zu überprüfen.
- Ausweitung der Pflicht zur Durchführung von Lohnanalysen alle vier Jahre auf alle Unternehmen: Derzeit ist weniger als ein Prozent der Unternehmen zur Durchführung solcher Analysen verpflichtet.
- Verpflichtung zur Vorlage von Massnahmen zur Korrektur festgestellter Lohnungleichheiten.
Selbst mit einer Lehre verdienen vier von zehn Frauen weniger als 5’000 Franken pro Monat, und jede vierte muss sich sogar mit einem Lohn von weniger als 4’500 Franken begnügen. Deshalb müssen die Kontrollmassnahmen in den Unternehmen mit einer allgemeinen Aufwertungsoffensive in den von Frauen hauptsächlich ausgeübten Berufen einhergehen. Löhne von mindestens 5’000 Franken nach der Lehre und von mindestens 4’500 Franken für alle müssen zur Norm werden. In Bereichen wie Kinderbetreuung, Altenpflege oder Einzelhandel ist eine solche Aufwertung am dringendsten.
Die Verbesserung der Einkommen von Frauen erfordert zwangsläufig auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine gerechtere Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zwischen den Geschlechtern. Daher sind höhere öffentliche Investitionen in die ausserfamiliäre Kinderbetreuung dringend erforderlich.