Der gescheiterte Lohngleichheitsdialog hat es gezeigt: Freiwilligkeit allein reicht nicht, um die Lohndiskriminierung von Frauen zu beenden. Jetzt braucht es endlich wirksame gesetzliche Massnahmen.
Seit 34 Jahren hält die Bundesverfassung im Artikel 8 fest: "Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit." Das Gleichstellungsgesetz konkretisierte 1996 diesen Anspruch und gab den Gerichten die Kompetenz, Diskriminierungen festzustellen, zu verbieten und zu beseitigen sowie Lohnnachzahlungen anzuordnen. Dennoch sind wir heute in der Schweiz noch weit von der Lohngleichheit entfernt. Ging der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in den beiden ersten Jahrzehnten nach Einführung des Verfassungsartikels noch relativ deutlich zurück, verlangsamte sich dieser Prozess im letzten Jahrzehnt. Und in den letzten Jahren stieg der Unterschied sogar wieder etwas an, zuletzt von 18.4 Prozent 2010 auf 18
Lohngleichheitsdialog gescheitert
Nicht zuletzt dieser Anstieg zeigt: Der Lohngleichheitsdialog, das Projekt von Sozialpartnern und Bund, das mit freiwilligen Massnahmen die Lohndiskriminierung beseitigen sollte, ist gescheitert. Zum diesem Schluss kam letztes Jahr auch der Evaluationsbericht.. Geht es im gleichen Tempo weiter, wird es noch Jahrzehnte dauern, bis Männer und Frauen gleiche Löhne erhalten. Heute arbeiten Frauen im Vergleich zu Männern drei Mal häufiger zu Tieflöhnen unter 4000 Franken und sind nur halb so oft in Kaderpositionen anzutreffen. Und selbst wenn sie mit gleicher Qualifikation einer gleichwertigen Arbeit nachgehen, erhalten sie knapp 9 Prozent weniger Lohn. Diese Diskriminierung macht insgesamt rund 7.7 Milliarden Franken im Jahr aus.
Der Handlungsbedarf ist unbestritten. 18.9 Prozent Lohndifferenz – das bedeutet konkret, dass jeder berufstätigen Frau durchschnittlich fast 1500 Franken pro Monat entgehen. Und diese Lohndifferenz bezahlen die Frauen im Alter noch einmal: mit tieferen Renten.
Freiwilligkeit genügt nicht
Deshalb ist für den SGB klar: Freiwilligkeit genügt nicht. Es braucht endlich wirksame gesetzliche Massnahmen. Der Bundesrat hat letzten Herbst einen Schritt in diese Richtung gemacht. Er will Betriebe mit mindestens 50 Angestellten verpflichten, regelmässig eine interne Lohnanalyse durchzuführen und von Dritten kontrollieren zu lassen. Das Ergebnis dieser Kontrolle soll im Jahresbericht veröffentlicht werden. Sollte der Arbeitgeber dennoch nicht handeln, um Lohnunterschiede auszugleichen, müssten die Arbeitnehmenden die Lohngleichheit allerdings immer noch selber vor Gericht einfordern.
Für den SGB geht das in die richtige Richtung, aber zu wenig weit. Die Betriebe müssen verpflichtet werden, eine festgestellte Lohnungleichheit auch zu beseitigen. Ausserdem soll eine tripartit zusammengesetzte Behörde Lohnkontrollen durchführen und bei festgestellter Lohnungleichheit griffige Massnahmen anordnen können. Nur so ist es möglich, die Verantwortung zur Durchsetzung des Verfassungsauftrags Lohngleichheit von den einzelnen Frauen wegzunehmen. Eine staatliche Instanz, die diese Verantwortung übernimmt ist zwingend notwendig, weil eine Lohnklage für die einzelne Frau eine sehr hohe Hürde darstellt.
Lohngleichheit subito!
Daneben braucht es generell einen besseren Lohnschutz durch mehr Gesamtarbeitsverträge und einen nationalen Mindestlohn. Die bezahlte und unbezahlte Arbeit muss besser zwischen Frauen und Männer verteilt werden. Dazu braucht es mehr und bezahlbare Plätze für die familienergänzende Kinderbetreuung, Unterstützung für Personen, die pflegebedürftige Angehörige betreuen , eine bezahlte Elternzeit sowie kürzere und besser planbare Arbeitszeiten. Schliesslich sollen Quoten und eine geschlechtsneutrale Bildungspolitik für eine angemessene Frauenvertretung in allen Bereichen der Arbeitswelt sorgen.
Doch machen wir uns nichts vor: Bei der Lohngleichheit wird es nur vorwärtsgehen, wenn wir Frauen öffentlich präsent sind und klar machen, dass wir die Lohndiskriminierung nicht weiter schlucken werden. Die nationale Grossdemonstration am 7. März soll zeigen: Uns Frauen ist der Geduldsfaden gerissen. Wir geben der Politik den Tarif durch und fordern Lohngleichheit, subito!