Das Saisonnierstatut war ebenso schändlich wie schädlich. Dies hielt die geschäftsführende SGB-Sekretärin Doris Bianchi am Freitag, 7. November, in einer emotionalen Rede fest.
Vor den Teilnehmenden einer Unia-Tagung zum Thema Saisonniers im Berner Progr sagte Bianchi, die Schweiz habe „die Not und Perspektivlosigkeit vieler ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ ausgenützt. "Saisonniers waren Menschen zweiter Klasse": Schutzlos dem Arbeitgeber ausgeliefert, ohne Familie, ohne anständige Wohnung, ohne Chance, ohne soziale Sicherheit. „Wer krank wurde, verlor die Arbeit und wurde nach Hause spediert. Nicht wenige im Sarg. Alleine in Mattmark starben vor 50 Jahren 57 Saisonniers.“
Das Saisonnierstatut drückte Löhne und Arbeitsbedingungen ganzer Branchen. So schadete es „nicht nur den ausländischen Arbeitskollegen, sondern uns allen, der gesamten Volkswirtschaft, dem Ansehen der Schweiz“. Doch statt sich für das verursachte Leid zu entschuldigen, es „in die Schandecke der Schweizer Geschichte zu stellen – zusammen mit der Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg, den Verdingkindern, den Kindern der Landstrasse wird das Saisonnierstatut heute wieder salonfähig“.
Bianchi, selbst Tochter von Saisonniers, machte klar: Es darf keinen Weg zurück in die Diskriminierung geben. Die Gewerkschaften, die Söhne und Töchter von Saisonniers, die heute der ersten Klasse angehören, „stehen in der Pflicht. Wir dürfen nicht vergessen, wie unsere Eltern leben mussten. Wir müssen wachrütteln. Wir haben es in der Hand, dass die Schweiz nicht wieder in schändliche Diskriminierungen zurückkehrt. Mit einem deutlichen Nein zur Ecopop-Initiative am 30. November machen wir den ersten Schritt.“
Unia-Co-Präsidentin Vania Alleva bekräftigte das Engagement der Gewerkschaften gegen menschenfeindliche Statute und Kontigentierungen. Zuvor hatte Catia Porri von ihrer Kindheit als versteckte Saisonnier-Tochter berichtet. Porri ist eine der Protagonistinnen des SGB-Films „Verboten und versteckt – Saisonnierkinder erzählen“. Mit der Tagung eröffnete die Unia die Ausstellung „Das Leben der Saisonniers in Bildern“. Eine nachgebaute Baracke ist bis zum 13. November auf dem Berner Waisenhausplatz zu sehen, anschliessend in Genf.