Der Service public war und ist politisch unter Druck. Dies gilt umso mehr im Zuge des erneut aufgekommenen Spardiskurses. Doch die Erfahrungen der vergangenen Legislatur zeigen deutlich: In den nächsten vier Jahren braucht es keine Schwächung, sondern eine deutliche Stärkung der Grundversorgung – auf allen Ebenen.
Stillstand prägt die vergangenen Jahre
Im Herbst stehen National- und Ständeratswahlen an, und dabei werden zwangsläufig auch die Weichen für die Entwicklung des Service public neu gestellt. Ein kurzer Blick zurück zeigt, dass die laufende Legislatur für den Service public am ehesten als «Treten an Ort und Stelle» beschrieben werden kann. Dies sowohl im positiven als auch im negativen Sinn: Einerseits konnten die Gewerkschaften wichtige Abwehrkämpfe für sich gewinnen, darunter namentlich die Verhinderung der Privatisierung von PostFinance sowie die Abwehr einer vollständigen Strommarktöffnung. Andererseits ist aber auch die Durchsetzung relevanter Fortschritte zumeist gescheitert – als Beispiele seien die in Volksabstimmungen abgelehnten Vorlagen zur Medienförderung sowie zum Ausbau des bezahlbaren Wohnraums genannt. Darüber hinaus waren die vergangenen Jahre natürlich durch die Bedeutung des Service public während der Corona-Pandemie geprägt. Sei es der logistische Kraftakt der Post-, die Medienberichterstattung der SRG- oder der ununterbrochene Einsatz der SBB-Angestellten: Ohne einen flächendeckenden und leistungsfähigen Service public wäre die Schweiz gestern stillgestanden, und sie würde es morgen wieder tun.
Eine gezielte Offensive für die kommenden Jahre
Nicht nur die während der Pandemie gemachten Erfahrungen, sondern auch die Erkenntnisse im Zuge der Energieversorgungskrise und die höchst dringend erforderliche «Klimawende» sind Anlass genug, um auf die kommende Legislatur hin eine breitgefächerte Offensive zur Stärkung der Grundversorgung in all ihren Bereichen zu starten. Folgende unmittelbaren Projekte stehen dabei in vier ausgewählten Bereichen im Vordergrund:
- Der Grundversorgungsauftrag der Post muss auf die Zukunft ausgerichtet und damit gestärkt werden. Das bedingt das Festhalten am «integrierten Konzern Post» und die Aufhebung des Kreditvergabeverbots für PostFinance. Gerade der CS-Untergang hat gezeigt, wie wichtig eine breit verankerte und seriös wirtschaftende «Volksbank» für Haushalte und KMU in der Schweiz ist.
- Die «SRG-Halbierungsinitiative» ist eine Kampfansage an den medialen Service public. Sie muss als Aufwachmoment dienen, um die Medienlandschaft mit vereinten Kräften zu stärken. Eine vielfältige und fundierte Berichterstattung ist demokratiepolitisch unerlässlich, doch sie ist ohne funktionierende Medienförderung nicht zu haben. Die Alternative ist eine weiter voranschreitende Monopolisierung – zugunsten der Tech-Giganten sowie der grossen Verlage, und zulasten der Arbeitnehmenden.
- Im Bereich des digitalen Service public hinkt die Schweiz den Pionierländern weit hinterher. Mit dem Grundsatzentscheid der Ablehnung einer privatisierten E-ID hat die Stimmbevölkerung aber eine klare Ausgangslage geschaffen: Auch im Netz muss die Grundversorgung öffentlich und datensparsam erbracht sowie demokratisch entwickelt und gesteuert werden. Und nun muss es schnell vorwärtsgehen: Mit einer staatlichen E-ID, mit einem Elektronischen PatientInnendossier und mit digital vernetzten öffentlichen Mobilitätslösungen. Die Staatsbetriebe Post, Swisscom und SBB können und müssen dabei eine prägende Rolle spielen.
- Der öffentliche Verkehr muss in der Schweiz weiter ausgebaut werden – dies nur schon der Klimaziele wegen. Die aktuelle Sparpolitik des Bundesrats geht aber genau in die gegenläufige Richtung: Beim Infrastrukturausbau sind Milliardenkürzungen geplant und auch beim regionalen Personenverkehr sollen die Beiträge gesenkt werden. Es obliegt nun dem (bald neu gewählten) Parlament, hier sofort Gegensteuer zu geben und die erfolgreiche Verkehrspolitik der vergangenen Jahre weiterzuführen.
Die skizzierten Projekte sind keineswegs ein abschliessendes Programm, aber es wären wichtige und unmittelbar umsetzbare Verbesserungen für die Zukunft. Doch zu deren Durchsetzung braucht es den unablässigen Druck der Gewerkschaften – in der Politik, in den Branchen und auf der Strasse.