Dank der geschützten Grundversorgung fällt der Anstieg der Strompreise in der Schweiz moderater aus als anderswo. Doch für Haushalte mit tiefen Einkommen ist der Anstieg der Stromrechnung um mehrere hundert Franken dennoch nicht zu verkraften. Es braucht deshalb schnell griffige flankierende Massnahmen.
Der heute durch die ElCom kommunizierte "Strompreishammer" war zu befürchten gewesen. Die Umwälzungen und Knappheiten an den internationalen Energiemärkten schlagen damit nun auch auf die KleinverbraucherInnen durch. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Schweiz wesentlich besser dasteht, als viele andere europäische Länder. So sehen sich zum Beispiel in Grossbritannien KleinkundInnen bereits heute mit einer Verdreifachung der Strompreise konfrontiert. Der Grund für diesen Unterschied ist im Wesentlichen, dass die Schweiz zum Glück bis heute – und unter dem wesentlichen Zutun der Gewerkschaften – auf eine volle Liberalisierung des Strommarktes verzichtet hat: KleinverbraucherInnen sind in der Grundversorgung geschützt und profitieren etwa von der Regelung, dass der inländisch produzierte erneuerbare Strom höchstens zu Gestehungskosten an sie verkauft werden darf.
Vom Erfolgsmodell Grundversorgung wollen nun – verständlicherweise – auch die bis anhin vehementesten BefürworterInnen der Vollmarktliberalisierung profitieren. So fordert der SGV seit Kurzem, dass auch GrossverbraucherInnen der Wechsel zurück in den "geschützten Bereich" gestattet werden soll. Ein klareres Eingeständnis der gescheiterten Liberalisierungsideologie ist eigentlich nicht zu haben, wobei gegen diese Forderung per se nichts einzuwenden ist (auch wenn sie nur mittelfristig überhaupt umsetzbar ist) – unter einer Bedingung: Wer in die Grundversorgung wechselt, der bleibt auch dort. Genauso, wie es bis anhin für den Wechsel in den freien Markt eben gilt.
Trotz allem ist auch in der Schweizer Grundversorgung der Anstieg der Strompreise massiv. Dies deshalb, weil in der Produktion und beim Vertrieb des Stroms die sprunghaften Marktbewegungen voll durchschlagen. Davon sind insbesondere KundInnen von Energieversorgungsunternehmen betroffen, die einen Grossteil ihres Stroms nicht selbst produzieren.
Langfristig kann sich die Schweiz nur mit einem Beschleunigung des durch die öffentliche Hand voranzutreibenden Ausbaus der inländischen erneuerbaren Stromproduktion aus dieser Situation befreien. Die Alternativlosigkeit dieser Strategie wurde durch die aktuellen Entwicklungen nur noch offensichtlicher, denn es wurden nicht nur die Marktturbos, sondern ebenso die ewiggestrigen Fossil-Turbos (siehe Putin-Gas) und die AKW-Turbos (siehe Zustand des französischen AKW-Parks) Lügen gestraft.
Kurzfristig braucht es aber schnell wirksame flankierende Massnahmen für die KleinkundInnen in der Grundversorgung, denn ein Anstieg der Stromrechnung von mehreren hundert Franken ist gerade im aktuellen Kontext der sinkenden Kaufkraft für viele Haushalte mit tiefen Einkommen absolut nicht verkraftbar – und bald drohen noch der "Prämienhammer" und der "Nebenkostenhammer".
Die Gewerkschafen fordern deshalb, dass die geplante Erhöhung der Stromabgaben (Netznutzungstarif, lokale/kantonale Abgaben) zurückgenommen wird und die entsprechenden Massnahmen (Swissgrid-Aufwand, Wasserkraftreserve etc.) über öffentliche Mittel finanziert werden – das ist das Mindeste!
Zudem muss die Überwachungs- und Tarifgenehmigungsbehörde ElCom den Energieversorgungsunternehmen weiter akribisch auf die Finger schauen. Es muss unbedingt verhindert werden, dass jene Unternehmen, die von den international gestiegenen Strompreisen nicht betroffen sind, auf der allgemeinen Welle mitreiten und mit Taschenspielertricks die Strompreise für ihre EndkundInnen in der Grundversorgung ebenfalls zu erhöhen versuchen. Allfällige entdeckte Missbräuche gilt es umgehend zu ahnden.
Drittens müssen auch die Kantone und Gemeinden ihre Rolle wahrnehmen, denn sie sind fast überall (alleinige) BesitzerInnen der Energieversorgungsunternehmen. Als solche haben sie dafür zu sorgen, dass der unternehmerische Spielraum (etwa durch einen Abbau von Reserven) möglichst ausgereizt und damit der Anstieg der Energietarife wirksam gedämpft wird.