Die Gesundheitskommission des Nationalrates war wieder einmal der Krankenkassenlobby hörig und hat vor einigen Wochen einen Vorentwurf zur "einheitlichen Finanzierung ambulant/stationär" in die Vernehmlassung geschickt. Durch die Einführung einer einheitlichen Aufteilung zwischen Prämien- und Steuerfinanzierung über alle Leistungsbereiche der Grundversicherung sollen bestehende Fehlanreize beseitigt und damit letztlich Kosten gespart werden. Es ist unklar, wie diese Ziele mit dem vorliegenden Modell erreicht werden sollen. Klar ist hingegen, was sich konkret ändern würde: Die Kantone müssten sämtliche Gelder, die sie heute zur Finanzierung der stationären Versorgung aufwenden (das sind immerhin ca. 8 Milliarden), den Krankenkassen zur Verfügung stellen, welche diese ihrerseits nach eigenem Gutdünken an die Leistungserbringer verteilen könnten.
In der Schweiz existiert kein in der Grössenordnung nur annähernd vergleichbares Beispiel der bedingungslosen Umleitung von Steuergeldern in die Privatwirtschaft, vielleicht mit Ausnahme der UBS-Rettung vor zehn Jahren. Beispiele dessen, was geschehen kann, wenn die öffentliche Kontrolle solcher Subventionen nicht ausreichend gewährleistet ist (wie mit dem vorgeschlagenen Modell), gibt es allerdings immer wieder – die Postauto-Affäre lässt leider grüssen. Der SGB ist entschieden gegen die Vorlage zur einheitlichen Finanzierung und hat sich in seiner Vernehmlassungsantwort ausführlich dazu positioniert (siehe unten). An dieser Stelle sollen dabei grundsätzliche Fragen der Steuerung im Gesundheitswesen beleuchtet werden.
Die soziale Grundversicherung ist eine Errungenschaft. Neben ihrer Finanzierung ist aber auch ihre Organisation über rund 50 privatwirtschaftlich organisierte Versicherungsgesellschaften eine Anomalie. Demokratiepolitisch ist es ein Sündenfall, dass die der demokratischen Kontrolle entzogenen Versicherer frei über Prämiengelder aus einem gesetzlichen Versicherungsobligatorium verfügen können. Noch viel bedenklicher wäre es nun, wenn diese auch frei über die Verwendung öffentlicher Steuergelder bestimmen könnten. Es sind ähnliche Kreise, welche unaufhörlich eine öffentliche Haushaltsführung nach dem "Giesskannenprinzip" anprangern und nun in der Gesundheitsversorgung eine solche "Giesskanne" in der Höhe von nicht weniger als 8 Milliarden Franken fordern. Das ist Ausdruck einer Marktgläubigkeit, die jedoch – wie so oft – nicht ohne Subventionen auskommt.
Ebenfalls angeprangert wird regelmässig, dass sich der Staat, bzw. die Kantone in der Gesundheitsversorgung zu viele verschiedene Hüte aufgesetzt hätten. Was der SGB an dieser Kritik grundsätzlich teilt, ist die Feststellung, dass die Steuerung des Gesundheitswesens viel zu föderalistisch organisiert ist, wohingegen für eine gesamtheitliche medizinische Versorgung weit mehr über die Kantonsgrenzen hinaus gedacht werden müsste. Die Kantone haben nun aber in der Tat eine Mehrfachrolle als Eigentümer von Spitälern, Mitfinanzierer von stationären Leistungen und Regulierer bei der Zulassung von Arztpraxen und Listenspitälern. Diese Mehrfachrolle der Kantone ist jedoch ganz einfach Ausdruck ihrer integralen Aufgabe der Gewährleistung medizinischer Versorgungssicherheit. Die Versorgungssicherheit kann nur durch die öffentliche Hand gewährleistet werden und wird bereits im heutigen System von einigen Versicherern punktuell unterwandert (siehe beispielsweise die schockierenden Fälle von Verweigerungen lebensnotwendiger Leistungen bei zahlungsunfähigen Versicherten). Die Mehrfachrolle ist zudem ganz einfach Abbild des öffentlichen Charakters der Gesundheitsversorgung. So wäre es ähnlich vermessen, Bund und Kantonen eine Mehrfachrolle als Gesetzgeber, Steuereintreiber und Gewährleister der öffentlichen Sicherheit vorzuwerfen.
Bereits heute bedenklich ist allerdings der Wandel bzw. Ausbau der Rolle der Krankenkassen. Während die Erhebung von Prämien und die Finanzierung von Leistungen ihre ursprünglich vorgesehenen Aufgaben sind, weiten die Kassen ihren Einfluss auch immer mehr auf die Seite der Leistungserbringung aus. Heute betreiben die meisten grossen Versicherer im Rahmen ihrer (grundsätzlich begrüssenswerten) HMO-Modelle eigene Ketten ambulanter Gesundheitszentren. Diese bescheren ihnen allerdings, im Gegensatz zum Grundversicherungsgeschäft, auch die Möglichkeit der Erwirtschaftung von Gewinn. Es versteht sich deshalb von selbst, dass die ungeteilte Macht über die Verteilung der Mittel in der Gesundheitsversorgung den Geschäftsmodellen der Krankenversicherer sehr zuträglich wäre. Dasselbe gilt für die angebotenen lukrativen Zusatzversicherungen sowie die Möglichkeit zur Leistungserstattung an Privatspitäler (dazu in einem späteren Beitrag mehr).