Nationalbank und Bund müssen die Realwirtschaft schützen

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Artikel
Verfasst durch Daniel Lampart, Chefökonom und Sekretariatsleiter SGB

Die massive Aufwertung des Franken schreitet weiter voran. Diese Entwicklung bedroht über 100‘000 Arbeitsplätze in der Schweiz. Der Bund ist deshalb gefordert, endlich aktiv zu werden und die Realwirtschaft zu schützen.

Der Franken hat sich seit Ende 2007 um mehr als 20 Prozent aufgewertet. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Franken bis 2008 unterbewertet war, ist die jüngste Aufwertung stark. Gegenüber einem längerfristigen Trend ist der Franken um rund 10 Prozent höher bewertet.

 

Gravierende negative Auswirkungen der Frankenstärke drohen

Diese Aufwertung hat für die kleine, offene Schweizer Wirtschaft gravierende negative Auswirkungen. Die nun vorliegende Studie der KOF ETH zu den Auswirkungen der Frankenstärke auf die Schweizer Wirtschaft bestätigt dabei frühere Forschungsergebnisse[1]. Eine Aufwertung des Frankens um 10 Prozent hat nach rund zwei Jahren ein um 3 Prozent tieferes Bruttoinlandprodukt und eine entsprechend tiefere Beschäftigung zur Folge. Das sind rund 120‘000 Stellen. Besonders davon betroffen sind die Maschinen- und Metallindustrie sowie der Tourismus.

Die Auswirkungen der Frankenstärke sind nicht schockartig, sondern schleichend. Doch sie sind bereits deutlich sichtbar. Die nominellen Warenexporte stagnieren weitgehend auf einem Niveau, das nach wie deutlich unter den Vorkrisenwerten liegt (-8 Prozent), die Preise und Margen sinken. Die Logiernächtezahlen sinken. Umfragen bei den Unternehmen zeigen das Ausmass der Probleme. In der Industrie (insbesondere MEM) gibt beispielsweise die Mehrheit der befragten Firmen an, stark/deutlich von der Frankenstärke betroffen zu sein. Die Firmen haben bereits Massnahmen im Personalbereich ergriffen oder geplant. Kurzfristig zielen diese vor allem auf Lohnsenkungen. Danach folgen Personalabbau und Auslagerungen.

 

Auswirkungen der Frankenstärke
Ergebnisse von aktuellen Firmenbefragungen

                             

 

Quelle

 
 

Branchen

 
 

Anteil neg. 
 betroffene Firmen

 
 

Massnahmen der Firmen
 (im Bereich Lohn, Beschäftigung)

 
 

Swissmem
 (Jan/Feb 2011)

 
 

MEM-Industrie

 
 

52%  (stark)
 33%  (mittelmässig)

 
 

Kzfr.: Lohnsenkungen (8%); Löhne in Euro (7%)
 Lgfr.: Verlagerungen ins Ausl. (41%), 
 Personalabbau (28%)

 
 

OSEC (1. Quartal 2011)

 
 

div. KMU

 
 

55%  (tiefere Exporte)
 75%  (tiefere Margen)

 
 

k.A.

 
 

SNB (1. Quartal 2011) 

 
 

Industrie

 
 

51%  (deutlich)
 28%  (leicht)

 
 

Personalabbau (15%),
 Lohnsenkungen (7%),
  Verlagerungen ins Ausland (8%)

 
 

Dienstleistungen

 
 

14%  (deutlich)
 26%  (leicht)

 

 

Nationalbank und Bund müssen Realwirtschaft vor Frankenstärke schützen

Der Franken ist stark überbewertet. Die Frankenstärke lässt sich durch Fundamentalfaktoren (Kaufkraftparität u.a.) nicht erklären.

Die Nationalbank hat den Auftrag, Preisstabilität zu gewährleisten und die Konjunkturentwicklung zu berücksichtigen. Weil der Frankenkurs einen starken Einfluss auf die Teuerung und die Kon-junktur in der Schweiz hat, ergibt sich daraus indirekt der Auftrag für die Nationalbank, gegen starke Wechselkursschwankungen zu intervenieren. Das steht in der Botschaft zur Revision des Nationalbankgesetzes vom 26. Juni 2002:

„Die Störungen der Gesamtnachfrage stammen in der Schweiz typischerweise aus dem Ausland. So können internationale Portfolioumschichtungen in den Schweizerfranken zu einer starken Aufwertung unserer Währung am Devisenmarkt führen. Besteht die Gefahr, dass der Aufwärtsdruck auf den Franken längere Zeit andauert, ist eine Lockerung der schweizerischen Geldpolitik angebracht. Denn ein starker und anhaltender Höhenflug des Schweizerfrankens gefährdet die Preisstabilität. Er bewirkt vorerst einen Einbruch von Produktion und Beschäftigung und anschliessend einen Rückgang des Preisniveaus. Lockert die SNB die Geldpolitik, bewahrt sie nicht nur die Preisstabilität, sondern sie trägt auch dazu bei, den Produktions- und Beschäftigungseinbruch zu mildern“ (S. 6182).

Die Frankenstärke ist eine enorme Gefahr für die Schweizer Wirtschaft. Kurzfristig für die Export-wirtschaft (Industrie und Tourismus) und längerfristig für die gesamte Wirtschaft, hangen doch die Einkommen in der kleinen Schweiz entscheidend vom Wohlergehen der Exportwirtschaft ab. Die Politik muss die Frankenstärke bekämpfen.

  • Die Nationalbank darf die Zinsen nicht erhöhen, sonst lockt sie ausländisches Geld an. Die Geldpolitik ist wegen des starken Frankens bereits überdurchschnittlich restriktiv (siehe die Grafik zum Monetary conditions index MCI).
  • Die Nationalbank muss die Frankenstärke über die Einführung und Verteidigung einer Untergrenze beim Franken/Euro-Kurs stoppen. In Ländern mit einem Wechselkursziel wie Dänemark sind damit verbundene Interventionen Alltag. Und sie funktionieren. Inflationsängste sind übertrieben. Erstens ist die Kernteuerung gegenwärtig nahe null[2] und der starke Franken wird auf den Schweizer Preisen lasten. Zweitens kann die Liquidität im Falle einer Franken-abwertung durch Verkäufe der Euro-Anlagen der SNB rasch wieder abgeschöpft werden.

   

  • Der Bund und die Nationalbank müssen zusammen Massnahmen zur Begrenzung der Frankenspekulation einführen. Fast alle kleinen Volkswirtschaften haben sich gegen Wechselkursschwankungen geschützt[3]: Sei es durch Einschränkungen des Devisenhandels[4] (bspw. Singapur, Südkorea), durch die Anbindung der Währung an andere Währungen (bspw. Singapur, Dänemark) oder durch eine Gemeinschaftswährung mit anderen Staaten (bspw. Niederlande). Der uneingeschränkte Handel des Frankens und die gänzlich geöffneten Kapitalmärkte der Schweiz sind im internationalen Vergleich fast einzigartig.

 


[1] Siehe die Übersicht über die existierenden Modellschätzungen für die Schweiz im SGB-Dossier Nr. 71 „Auswirkungen einer Frankenaufwertung auf die Schweizer Wirtschaft“ (http://www.sgb.ch/uploaded/Dossier/71_DL_d_Wechselkurs.pdf).

[2] Die März-Teuerung von 1 Prozent ist die Folge der höheren Ölpreise und des statistischen Sondereffekts, dass die Bekleidungspreise erstmals auch im März statt nur im Januar erhoben wurden, wodurch die Preise der Frühlings- / Sommer-kollektion 2011 mit den Ausverkaufspreisen vom Januar 2010 verglichen werden. Dieser Sondereffekt erhöht den Landesindex der Konsumentenpreise um rund 0.4 Prozentpunkte.

[3] Siehe die Übersicht des Internationalen Währungsfonds: www.imf.org/external/np/mfd/er/2008/eng/0408.htm

[4] Siehe dazu auch eine Bewertung von Kapitalverkehrskontrollen durch den Internationalen Währungsfonds: www.imf.org/external/pubs/ft/sdn/2011/sdn1106.pdf

[5] Berechnung des MCI: Realer 3-Monats-Libor (Teuerungsbereinigung mit Kernteuerung als Trimmed Mean gemäss SNB) mit dreifachem Gewicht und Trendabweichung des realen Aussenwerts des Frankens (Trendberechnung mit deterministischem Trend).

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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