Die unteren und mittleren Reallöhne stagnieren, die Last der Krankenkassen-Prämien wird untragbar. Die Einkommens- und Abgabenpolitik in der Schweiz geht klar in die falsche Richtung. Leidtragende sind die unteren und mittleren Einkommen. Profiteure sind die Topverdiener:innen und Gutsituierten. Die obersten Löhne sind stark gestiegen. Die Firmen schütten mehr Dividenden aus. Und die Kantone senken die Steuern für hohe Einkommen und Vermögen. Dies zeigt der Verteilungsbericht ( Download), den der SGB heute präsentiert. Es braucht eine Wende in der Lohn- und Einkommenspolitik. Damit diejenigen, die Tag für Tag für ihr Geld hart arbeiten müssen, finanziell gut über die Runden kommen.
Bei den unteren und mittleren Reallöhnen droht ein «verlorenes Jahrzehnt». Real sind sie heute nicht wesentlich höher als im Jahr 2016. Hauptgrund ist, dass zahlreiche Arbeitgeber ihren Kunden zwar höhere Preise verrechneten, aber nicht bereit waren, ihren Angestellten den Teuerungsausgleich zu gewähren. Die Kader und Topverdienernden haben heute hingegen 3’000 Franken pro Monat zusätzlich (oberstes Prozent der Löhne). Erstmals haben in der Schweiz über 4’000 Personen ein Jahresgehalt von einer Million Franken und mehr. «Von der Individualisierung der Lohnpolitik über Bonuszahlungen in den Firmen profitieren Kader und Topmanager überproportional. Damit auch die Arbeitnehmenden mit normalen Löhnen etwas vom Wohlstand haben, den sie erwirtschaften, braucht es im Gegenteil wieder mehr allgemeine Lohnerhöhungen», hält Daniel Lampart, Chefökonom SGB, fest.
Ungerechte Abgabenpolitik korrigieren
Auch die Steuer- und Abgabepolitik spielte den Gutsituierten und der Oberschicht in die Hände. Die Kantone haben wieder damit begonnen, die Einkommens- und Vermögenssteuern zu senken. Weitere Steuersenkungen sind geplant. Auf der anderen Seite wiegt die Krankenkassen-Prämienlast für die unteren und mittleren Einkommen immer schwerer – auch weil die Kantone die Prämienverbilligungen nur schwach erhöhen. Eine vierköpfige Familie zahlt heute mehr als 1000 Franken pro Monat für die Krankenkasse – auch wenn sie ein Hausarzt- oder HMO-Modell gewählt hat. «Statt die ungerechte Verteilung der Einkommen zu korrigieren, verstärkt die aktuelle Abgabenpolitik die Ungleichheiten, insbesondere weil die ungerechten Kopfprämien ungebremst steigen», sagt Pierre-Yves Maillard, Präsident SGB.
Normal- und Geringverdienende haben heute nach Abzug der Steuern und der Wohnkosten deshalb weniger Geld zum Leben als im Jahr 2016. Die Topverdiener-Haushalte hingegen stehen finanziell besser da. Ihre Bruttoeinkommen stiegen. Und weil die Schweiz das Gesundheitswesen als einziges Land in Europa über eine Kopfsteuer finanziert, müssen sie sich weniger an der Entwicklung der Gesundheitskosten beteiligen als anderswo. Die Schweiz ist deshalb das Land in Europa, welches die Ungleichverteilungen am geringsten korrigiert.
Substanzielle Lohnerhöhungen nötig - besonders bei unteren und mittleren Löhnen
Es braucht eine Wende in der Schweizer Lohn- und Einkommenspolitik. Die Reallöhne der Normal- und Geringverdienenden müssen markant stiegen. Wer eine Lehre gemacht hat, soll mindestens 5’000 Franken pro Monat verdienen. Generell müssen die Löhne mindestens 4’500 Franken betragen. Diese Lohnerhöhungen sind betriebswirtschaftlich möglich. Die Ertragslage und die Margensituation der Firmen sind gut. «Damit der Lohnrückstand und die Lohnlücke geschlossen werden, braucht es in diesem Lohnherbst substanzielle Lohnerhöhungen insbesondere bei den unteren und mittleren Löhnen. Nach wie vor gross ist auch der Handlungsbedarf bei den sogenannten Frauenberufen mit zu tiefen Löhnen. Wir werden die Lohnfrage in diesem Lohnherbst mit Aktionen in den Betrieben und auf den Strassen zum Thema machen», erklärt Vania Alleva, Vizepräsidentin SGB und Präsidentin Unia.
Mehr Kaufkraft
In der Abgabenpolitik müssen die «Kopfsteuern» bei den Krankenkassenprämien gesenkt werden – über höhere Prämienverbilligungen, wie das die Prämien-Entlastungs-Initiative vorsieht. Niemand soll mehr als 10 Prozent des Einkommens für die Prämien ausgeben müssen. Die geplanten Senkungen der Einkommens- und Vermögenssteuern gehen hingegen in die falsche Richtung. Sie stellen diejenigen noch besser, die es nicht nötig haben.