Die Delegierten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes haben an ihrem 57. Kongress in Interlaken die gewerkschaftlichen Schwerpunkte festgelegt. Neben der Lohn- und Rentenoffensive haben die SGB-Gewerkschaften beschlossen, am 14. Juni 2023 einen feministischen Streik zu organisieren. Trotz der historischen Mobilisierung im 2019 verbessert sich die Einkommenssituation der Frauen bei Lohn und Rente kaum. Eine Gleichstellungsoffensive insbesondere am Arbeitsplatz ist deshalb notwendig. Für die Aufwertung der Frauenarbeit und für höhere Löhne, für sofort wirkende Rentenerhöhung und für bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Kaufkraft-Krise
Die Schweiz ist eines der reichsten Länder der Welt. Doch davon spürten in den letzten Jahren viele Berufstätige und Rentnernnen wenig. Im Gegenteil: Wenn die Krankenkassenprämien und die Mieten bezahlt sind, bleibt ihnen teilweise sogar weniger Realeinkommen als vor einigen Jahren. Deshalb braucht es einkommens- und verteilungspolitische Massnahmen zur Stärkung der Kaufkraft.
Zentrale verabschiedete Forderungen am SGB-Kongress sind:
- Generelle Lohnerhöhungen – wer in diesem Land arbeitet, verdient einen fairen Lohn. Gemessen an den Lebenshaltungskosten bedeutet das heute: keine Löhne unter 4’500 Franken und mit einer Lehre mindestens 5'000 Franken. Dieses Ziel soll mit mehr GAV und Mindestlöhnen erreicht werden.
- Verbesserungen beim Lohnschutz: Wichtig sind insbesondere Vereinfachungen bei der Allgemeinverbindlicherklärung von GAV sowie scharfe Durchsetzungsmassnahmen. Die Flankierenden Massnahmen müssen deshalb verbessert, nicht verschlechtert werden.
Altersvorsorge
Die schleichende Privatisierung der Altersvorsorge kann nur mit einer Stärkung der AHV gestoppt werden. Deshalb ist der Kampf für bessere Renten mit der SGB-Initiative für eine 13. AHV-Rente absolut prioritär. Die im Parlament hängige Initiative kommt zum richtigen Zeitpunkt: Die Pensionskassenrenten sind die letzten Jahre rund 20 Prozent gesunken und verlieren nun durch die Teuerung massiv an Wert. Gleichzeitig verkommt die 2. Säule – je länger je mehr – zum Geschäftsmodell für Vermögensverwalter, Vermittlungsagenten und Versicherer. Der SGB-Kongress beschloss daher mit dem Positionspapier zur Altersvorsorge: Wer ein Leben lang gearbeitet hat, verdient eine gute Rente. In der Schweiz ist genug Geld vorhanden, um dies zu finanzieren. Von dem Ausbau der AHV profitieren durch das gute Preis-Leistungs-Verhältnis für Arbeitnehmende über 90 Prozent der Bevölkerung in der Schweiz.
Klimaerhitzung
Die Klimaerhitzung ist menschengemacht und für alle eine existenzielle Bedrohung, auch für die Arbeitnehmenden. Der SGB tritt deshalb für eine wirksame Klimapolitik ein. Die dringend notwendige Klimawende muss durch einen sozial gerechten Strukturwandel erfolgen. Die Dekarbonisierung wird die Arbeits- und Lebenssituation der Arbeitnehmenden weltweit und in der Schweiz massiv verändern. Dieser Prozess muss unter Einbezug aller Betroffenen gestaltet werden. Der ökosoziale Umbau kann nicht dem Markt überlassen werden, sondern ist ein kollektives Zukunftsprojekt, welches nur gemeinschaftlich und demokratisch ausgehandelt wirksam umgesetzt werden kann. Zentraler Hebel dabei ist die Stärkung des Service public.
Kündigungsschutz
Weiter beschloss der Kongress, die Lancierung einer Volksinitiative für einen besseren Kündigungsschutz vorzubereiten. Die Schweiz ist stark im Rückstand: die geltende ILO-Konvention zum Schutz von gewerkschaftlich engagierten Arbeitnehmenden wird nicht respektiert. Die laufende Mediation muss zu konkreten Ergebnissen führen.
Kulturpreis
Der Kongress hat der Spoken-Word-Performerin Sandra Künzi den SGB-Kulturpreis verliehen. Ihre Auftritte sind geprägt von Witz und Schalk und haben oft auch absurde Seiten. Der Themenfächer reicht von Lohngleichheit, über Landesstreik bis zu Alltagsbegebenheiten. Zentral ist der Künstlerin das Engagement für die Gleichstellung der Frauen. Während der Pandemie hat sie im Rahmen der Taskforce Culture eine führende Rolle eingenommen bei der Interessenvertretung der Schweizer Kulturschaffenden.
Präsidiumswahl
Pierre-Yves Maillard wurde am Kongress einstimmig für weitere vier Jahre als SGB-Präsident wiedergewählt. Ebenfalls einstimmig wurden Vania Alleva (bisher) und Natascha Wey (neu) als Vizepräsididentinnen gewählt. Die Zusammensetzung des Präsidialausschusses wurde bestätigt. Das erste Mal in der Geschichte vom SGB, besteht im Präsidialausschuss eine Frauenmehrheit.
Beschlüsse
Die beschossenen Positionspapiere, die verabschiedeten Resolutionen und die gewählten Personen finden sich hier: