Es kann keine echte Sozialpartnerschaft geben, wenn Arbeitnehmende, die sich in der Personalkommission oder im Pensionskassen-Stiftungsrat engagieren, deswegen mit der Kündigung rechnen müssen. Daran hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund angesichts des Besuchs von Bundespräsident Johann Schneider-Amman an der Jahreskonferenz der Uno-Arbeitsorganisation ILO erinnert.
Am Montag, 30. Mai, hat Johann Schneider-Ammann in einer Rede vor der zurzeit in Genf tagenden ILO-Konferenz die Bedeutung der Sozialpartnerschaft und geteilter Werte zum Schutz der Arbeitnehmenden in einer globalisierten Welt hervorgehoben. Gleichzeitig unterzeichnete der Bundespräsident ein neues Zusammenarbeits- und Finanzierungsprotokoll zwischen der Schweiz und der ILO. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) begrüsst sowohl den Besuch als auch die Unterzeichnung des Protokolls.
Bei den tripartiten Gesprächen zwischen Schneider-Ammann und den Schweizer Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmervertretungen an der ILO erinnerte der SGB aber auch daran, dass in der Schweiz immer noch ein wirksamer Schutz vor antigewerkschaftlichen Kündigungen fehlt. Dieses Problem muss dringend gelöst werden, denn es kann keine echte Sozialpartnerschaft geben, wenn Arbeitnehmende, die sich beispielsweise für ihre KollegInnen bei der Aushandlung von Gesamtarbeitsverträgen (GAV) oder in Pensionskassen-Stiftungsräten einsetzen, mit der Kündigung rechnen müssen, wenn sie unbequeme Fragen oder Forderungen stellen.
Ein ernsthaftes und ganzheitliches Engagement der Schweiz in der ILO kann nicht nur in der Ratifikation von Übereinkommen und der Finanzierung von Projekten bestehen. Es muss insbesondere auch in der Umsetzung der staatlichen Verpflichtungen im nationalen Recht Ausdruck finden, im konkreten Fall in einer Verbesserung des Schutzes vor antigewerkschaftlichen Kündigungen im Obligationenrecht.
Hier bescheinigt der ILO-Bericht der Schweiz Defizite bei der Einhaltung der Konventionen Nr. 87 und 98, welche die Gewerkschaftsfreiheit schützen. Das Schweizer Gesetz schütze Personen, denen gekündigt wurde, weil sie sich für die Interessen der Angestellten eingesetzt haben, nicht genügend. Das Gleiche gilt gemäss ILO-Bericht für Whistleblower. In all diesen Fällen sieht das Obligationenrecht nämlich nur eine Sanktion von maximal sechs Monatslöhnen vor. Die ILO fordert hingegen, dass zumindest in gewissen Fällen auf Wiedereinstellung der Arbeitnehmenden geklagt werden kann. Zudem sollen die möglichen Sanktionen verschärft werden.
Auskünfte:
- Luca Cirigliano, SGB-Zentralsekretär, zuständig für Arbeitsrecht und Internationales, Tel. 076 335 61 97