An der nächsten ILO-Jahreskonferenz wird sich die Schweiz vor einem Ausschuss erklären müssen, weil sie die Rechte von Gewerkschaftsmitgliedern nicht genügend schützt. Es droht ihr eine Schwarze Liste, sollte sie sich nicht an internationales Recht anpassen.
Die nächste Jahreskonferenz der Internationalen Organisation für Arbeit (ILO) findet vom 30. Mai bis 11. Juni 2016 in Genf statt. Dieses Jahr hat der Ausschuss der ILO, welcher für die Einhaltung der Konventionen zuständig ist, einen Bericht zur Schweiz veröffentlicht. Der Bericht ist alles andere als rosig: Bei der Einhaltung der Konventionen Nr. 87 und 98, welche die Gewerkschaftsfreiheit schützen, weist die Schweiz grosse Defizite auf. Sie hat die Empfehlungen der ILO, aufgrund einer Klage des SGB verfasst, immer noch nicht umgesetzt.
Kündigungsschutz genügt nicht
Der Bericht hält fest, dass in der Schweiz Personen, denen gekündigt wird, weil sie sich z.B. im Rahmen von GAV-Verhandlungen oder sonstigen Gewerkschaftsaktivitäten für die Interessen der Angestellten eingesetzt haben, keinen genügenden Schutz durch das Gesetz haben. Das Gleiche gälte für Whistleblower. Tatsächlich sieht das Schweizer Obligationenrecht in diesen Fällen für die Gerichte nur vor, den Arbeitgeber zur Zahlung von maximal sechs Monatslöhnen zu verurteilen. In der Realität werden aber meist nur 2-3 Monatslöhne ausgesprochen: ein Hohn für Opfer von missbräuchlichen Kündigungen, die später jahrelang keine Arbeit mehr finden und manchmal gar von der Sozialhilfe leben müssen.
ILO: Reform oder schwarze Liste
Die ILO hat seit der entsprechenden Klage des SGB von 2003 mehrmals Empfehlungen zuhanden der Schweiz gemacht, um den Kündigungsschutz menschenrechtskonform zu gestalten: So soll in gewissen Fällen die Wiedereinstellung des Arbeitnehmenden möglich sein. Weiter soll die vom Gericht auszusprechende Sanktion erhöht werden, um so das Ermessen der Gerichte zu vergrössern. Es kann nämlich nicht sein, dass sowohl für Nestlé wie für den Dorf-Garagisten nur maximal 6 Monatslöhne ausgesprochen werden können.
Die Schweiz wird an der Konferenz der internationalen Staatengemeinschaft erklären müssen, wieso sie das Kündigungsrecht noch nicht angepasst hat. Für die Gewerkschaften ist klar: Sie muss jetzt endlich Reformen beim Kündigungsschutz einführen. Sollte die Schweiz das verweigern, droht ihr, auf eine Schwarze Liste der ILO zu kommen.
Weitere Themen
An der ILO-Konferenz findet u.a. zudem eine Aussprache zum Thema menschenwürdige Arbeit in globalen Lieferketten statt. Diskutiert wird auch die gerechtere Gestaltung des Freihandels durch Mindeststandards im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts.