Aktionstag zum Lohnschutz

Gewerkschaften zeigen die Rote Linie auf. Foto: © Yoshiko Kusano

 

Lohnschutz in Gefahr: Öffnung muss Arbeitnehmenden nützen

  • Flankierende Massnahmen und Personenfreizügigkeit
Medienmitteilung

SGB-Delegiertenversammlung zum Stand der Verhandlungen mit der EU

Der Lohnschutz ist Voraussetzung dafür, dass eine Öffnung gegenüber der EU den Arbeitnehmern nützt. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB hat sich deshalb in Gesprächen mit Bundesrat, Arbeitgebern und Verwaltung dafür eingesetzt, dass die Probleme beim Lohnschutz gelöst werden. Nach monatelangen Gesprächen stellt sich heraus: Bis heute liegt nichts Verbindliches auf dem Tisch, ausser Verschlechterungen. Arbeitgeber und EU-Kommission bieten bis heute keine Hand für Lösungen, welche die Löhne der Arbeitnehmenden sichern. Im Gegenteil: Schweizer Arbeitsbedingungen und der Service public sind dadurch in Gefahr. Deshalb haben die Delegierten des SGB in einer Resolution die notwendige Basis für erfolgreiche Gespräche mit der EU und den Sozialpartner dargelegt. Dazu gehört eine verbindliche Garantie für den eigenständigen Lohnschutz. Die Flankierenden Massnahmen müssen verbessert und nicht verschlechtert werden. Die Übernahme der EU-Spesenregelung lehnt der SGB ab – dies alleine kann für die Arbeitnehmenden tausend Franken weniger Einkommen pro Monat ausmachen. Ebenso lehnen die SGB-Delegierten die totale Marktöffnung für Strom und den öffentlichen Verkehr ab. Der Europäische Gewerkschaftsbund EGB unterstützt den SGB weiterhin im Einsatz für starke Flankierende Massahmen, damit die wirtschaftliche Öffnung auch den Arbeitnehmenden nützt –  für eine soziale Schweiz und ein soziales Europa. 

Die verabschiedete Resolution lautet:

Der SGB setzt sich für eine soziale, offene Schweiz ein und anerkennt die grosse Bedeutung der EU für die friedliche Entwicklung und Zusammenarbeit in Europa. Er unterstützt die Öffnung gegenüber der EU grundsätzlich.

Das Ende des unwürdigen Saisonnierstatuts und die Einführung der Personenfreizügigkeit mit wirksamen Flankierenden Massnahmen waren grosse Schritte für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen, für die die Gewerkschaften gekämpft haben. Das Rahmenabkommen von 2018 hätte hingegen den Lohnschutz und den Service Public verschlechtert. Deshalb hat sich der SGB dagegen ausgesprochen. Der Bundesrat hat sich danach für einen Neustart entschieden und Sondierungsgespräche mit der EU geführt. Er will Ende Juni die Eckwerte für ein Verhandlungsmandat verabschieden.

Die bisherige Entwicklung bei diesen Sondierungsgesprächen ist besorgniserregend. Der Lohnschutz und der Service Public sind nicht gesichert. Dies ist umso gefährlicher, weil es in der Schweiz Kräfte gibt, welche die Diskussionen mit der EU dafür missbrauchen, ihre Liberalisierungsprogramme durchzudrücken. Und weil die Vertreter der EU-Kommission Forderungen stellen, welche den Arbeitnehmenden mit EU- und Schweizer Pass schaden. Der Europäische Gewerkschaftsbund EGB hat sie dafür auch scharf kritisiert und steht fest an der Seite des SGB.

Beim Lohnschutz sind in den Gesprächen mit der EU sowohl der paritätische GAV-Vollzug, als auch wichtige Instrumente wie die Dienstleistungssperre und die Kaution nicht verbindlich abgesichert. Die EU-Kommission verlangt sogar, dass Firmen aus der EU ihren Angestellten in der Schweiz keine Schweizer Spesen, sondern nur die Ansätze in ihrem Herkunftsland zahlen müssen. Das alleine kann für die Arbeitnehmenden Tausend Franken pro Monat weniger Einkommen ausmachen. Diese arbeitnehmerfeindliche Haltung der für die Schweiz zuständigen EU-Kommissionsvertreter ist umso unverständlicher, als auch Hundertausende von EU-BürgerInnen nicht mehr vom Schweizer Lohnschutz profitieren könnten.

Der SGB hat sich in Gesprächen mit Bundesrat, Arbeitgebern und Verwaltung dafür eingesetzt, dass die Probleme beim Lohnschutz gelöst werden. Anders als in den Medien seit Monaten suggeriert wird, liegt heute nichts Verbindliches auf dem Tisch, ausser Verschlechterungen. Die Schweizer Arbeitgeber, welche sich aktiv für das Rahmenabkommen einsetzen, wehren sich nicht gegen Verschlechterungen beim Lohnschutz und bieten bis heute keine Hand für Verbesserungen, welche die Löhne der Arbeitnehmenden sichern.

Der Lohnschutz ist in den letzten Jahren durch die stärkere Verbreitung von Subunternehmen und Temporärarbeit anspruchsvoller geworden. Die Basis der Schweizer GAV erodiert nach und nach. Temporärarbeitende haben nach wie vor weniger Rechte als Festangestellte.

Beim Service Public geht die Diskussion in die falsche Richtung. Es droht eine komplette Öffnung des Strommarktes, obwohl die Liberalisierung in der EU in den letzten Jahren zu einem enormen Preisschub geführt hat. 

Auch bei der Bahn drohen falsch verstandene Marktöffnung sowie Lohn-, aber auch Preisdumping. Das Bundesamt für Verkehr will die Verhandlungen mit der EU missbrauchen, um seinen Traum vom Flixtrain in der Schweiz zu realisieren. Das BAV stellt so das bewährte Schweizer Kooperationssystem in Frage, um das uns die Nachbarn beneiden.

Einer Übernahme der Unionsbürgerrichtlinie steht der SGB hingegen grundsätzlich positiv gegenüber. Sie bedeutet eine rechtliche Besserstellung der Arbeitnehmenden aus dem EU-Raum.

Die EU hat auf Druck der Gewerkschaften und der sozialen Kräfte mit der Mindestlohnrichtlinie und der Richtlinie zur Temporärarbeit Verbesserungen im Lohn- und Arbeitnehmerschutz beschlossen. Zusammen mit dem EGB setzt sich der SGB dafür ein, dass auch ein soziales Abkommen zwischen der EU und der Schweiz zu Stande kommt. Die Schweiz hat höchste Löhne in Europa und braucht daher den besten Schutz. Der für die Bevölkerung sehr wichtige Service public muss erhalten und weiterentwickelt werden.

Für den SGB ist klar: Die Gespräche mit der EU können nur auf dieser Basis zu einem erfolgreichen Abschluss kommen. Ein Verhandlungsmandat des Bundesrates muss deshalb Folgendes beinhalten:

  • Der eigenständige Lohnschutz muss gesichert sein. Es braucht verbindliche Garantien, dass die GAV weiterhin paritätisch vollzogen werden können. Und die Schweiz muss weiterhin Instrumente wie die Dienstleistungssperre, die Arbeitsunterbrüche und die Kaution einset-zen können, um Dumping wirksam zu bekämpfen.
  • Eine Übernahme der EU-Spesenregelung, wonach den Arbeitnehmenden in der Schweiz keine Schweizer Spesenansätze mehr bezahlt werden, lehnt der SGB ab.
  • Beim Lohnschutz soll die Schweiz die Prävention stärken: Es sollen diejenigen Firmen die Aufträge erhalten, die auch korrekte Löhne zahlen. Dazu sollen die digital vorhandenen In-formationen aus den Lohnkontrollen von den AuftraggeberInnen genutzt werden. Zudem sollte die Schweiz eine Bauherrenhaftung einführen. Wenn die Prävention gestärkt und zu-gleich das Meldeverfahren beim Bund digital verbessert wird, könnte die Schweiz auch die 8-Tage-Voranmeldefrist schrittweise verkürzen, ohne den Lohnschutz zu verschlechtern.
  • Die schleichende Erosion beim Lohnschutz muss gestoppt werden. Die Voraussetzung für die Allgemeinverbindlicherklärung von GAV müssen an die heutige Realität angepasst wer-den – insbesondere das Arbeitgeberquorum gehört angepasst. Temporärbeschäftigte müs-sen zu gleichen Löhnen angestellt werden wie die Festangestellten. Die Schweiz könnte hier die EU-Richtlinien zu den Mindestlöhnen und der Temporärarbeit übernehmen.
  • Der SGB unterstützt die wichtige Kooperation der Schweiz mit der EU im Strom-Hochspannungsbereich. Aber eine totale Marktöffnung beim Strom lehnt er ab. 
  • Der öffentliche Verkehr in der Schweiz darf nicht geschwächt werden. Eine Marktöffnung beim öffentlichen Verkehr lehnt der SGB ab. Dasselbe gilt auch für eine Beihilfenprüfung, welche den ÖV schwächt. 
  • Die Verbesserungen, die sich aus einer Übernahme der EU-Unionsbürgerrichtlinie ergeben, wären ein Fortschritt. Dadurch erhalten EU-Staatsangehörige eine bessere soziale Absiche-rung und mehr Rechte, wenn sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. 
  • Der Abschluss eines Abkommens im Bereich der öffentlichen Gesundheit und Krisenbe-wältigung wäre für die Schweiz positiv. Nicht verhandelbar ist jedoch in diesem Rahmen ei-ne allenfalls beihilferechtlich erzwungene Reduktion der bereits heute zu tiefen öffentlichen Subventionen im Gesundheitswesen.
  • Der SGB unterstützt die Kohäsionsbeiträge an die EU, die auch erhöht werden können. Sie sind ein wichtiges, solidarisches Instrument um die Unterschiede bei den Einkommen in Eu-ropa zu reduzieren. Positiv wäre auch, wenn die sistierten Kooperationsprojekte der Schweiz mit der EU rasch wieder weitergeführt würden. Die Schweiz und die EU haben ein grosses, gemeinsames Interesse an einer engen Zusammenarbeit in der Forschung, in der Kultur und in der Bildung. 

Zuständig beim SGB

Daniel Lampart

Sekretariatsleiter und Chefökonom

031 377 01 16

daniel.lampart(at)sgb.ch
Daniel Lampart
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