Wer flächendeckend abgrast, soll auch mal ein paar Pflänzchen züchten: Netflix, Disney und Co. erwirtschaften Hunderte von Millionen in der Schweiz. Dass davon zumindest ein Kleinstbetrag in die Schweizer Filmproduktion investiert wird, darum geht es am 15. Mai. Die Gewerkschaften sagen Ja zur Revision des Filmgesetzes.
Netflix schweigt zu "seiner" Lex
Mit der Revision des Filmgesetzes werden Streamingplattformen wie Netflix, Amazon Prime, Sky, Apple TV oder Disney+ dazu verpflichtet, jährlich vier Prozent ihrer Schweizer Einnahmen in die hiesige Filmproduktion zu investieren. Wer diese Investitionspflicht innerhalb von vier Jahren nicht erfüllt, muss eine entsprechende Ersatzabgabe entrichten.
Von den betroffenen Plattformen hört man im Abstimmungskampf bis anhin nur sehr wenig. Das hat wohl drei einfache Gründe: Erstens sind solche Bestimmungen für die Streamingdienste längst nichts Neues mehr, denn sie müssen im europäischen Umland schon seit Jahren weit strengere Auflagen erfüllen – zum Beispiel eine Investitionspflicht von 20 Prozent in Italien oder gar von 25 Prozent in Frankreich. Zweitens wissen diese Firmen bestens, dass die BefürworterInnen des Referendums schlicht lügen, wenn sie von einer "Strafsteuer" sprechen. Eine Investitionspflicht hat damit nichts zu tun, im Gegenteil: der Gewinn, der sich aus diesen Investitionen ergibt, verbleibt vollumfänglich bei den Plattformen. Und drittens reiben sich Netflix & Co. wohl grundsätzlich die Augen darüber, dass – bei ihren Umsätzen von mehreren hundert Millionen Franken – eine Investitionsvorgabe zu einem geschätzten Gesamtvolumen von nicht einmal 20 Millionen Franken zu so grotesken Debatten führen kann, wie wir sie derzeit erleben.
In der Schweiz kassieren, ins Ausland abführen
Doch was passiert heute eigentlich "hinter den Kulissen": Genau wie etwa Zalando, welches ohne einen Rappen lokale Wertschöpfung massenhaft Kleider und Schuhe in die Schweiz importiert, verleiben sich die Streamingplattformen den Schweizer Filmmarkt mit fast ausschliesslich ausländischen (Gross-)Produktionen ein. Sie verdienen damit in der kaufkräftigen Schweiz sehr viel Geld, welches danach gänzlich ins Ausland abfliesst. Gleichzeitig sind inländische private Fernsehsender seit Jahrzehnten dazu verpflichtet, vier Prozent ihres Umsatzes in die Schweizer Filmproduktion zu investieren. Damit leisten Letztere einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung des inländischen Filmschaffens. Es wäre doch völlig selbstverständlich, dass neu nun endlich auch internationale Streamingdienste (sowie übrigens auch ausländische Fernsehsender mit Schweizer Werbefenstern) diesen Beitrag leisten müssen. Eigentlich ist es vielmehr unverständlich, dass sie dies bis anhin noch nicht mussten. Kleine Schweizer Fernsehunternehmen, die kaum Filme zeigen oder einen Mindestumsatz von 2.5 Millionen Franken nicht erreichen, bleiben übrigens – auch dies entgegen den Behauptungen der GesetzesgegnerInnen – weiterhin von der Investitionspflicht ausgenommen (übersteigen sie diesen Mindestumsatz, können sie sich zunächst sogar Werbeleistungen bis zu einer halben Million Franken an die Investitionspflicht anrechnen lassen).
Die Revision sichert Arbeitsplätze – Abopreise bleiben gleich
Mit der neuen Investitionspflicht könnten im Inland Arbeitsplätze von ansässigen Filmschaffenden gesichert und ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden. Ohne dass es dafür einen einzigen Steuerfranken braucht. Auch die der Filmindustrie vor- und nachgelagerten Branchen würden von der Gesetzesänderung entsprechend profitieren. Würde auf diese Vorgabe verzichtet, flössen weiterhin sämtliche Einnahmen der Streamingdienste und internationalen Sender ins Ausland ab – und diese Summe wächst jährlich weiterhin stark an. Übrigens: Dass sich die Investitionspflicht auf die Abopreise des Filmstreamings auswirken wird, auch das ist ein Märchen der Referendums-BefürworterInnen. Sogar in Ländern mit substanzieller Investitionspflicht sind diese Preise heute deutlich tiefer als in der Schweiz (und in Frankreich sind sie nach Einführung dieser Pflicht auch nicht gestiegen). Hierzulande ist das Filmschauen hauptsächlich deswegen teurer, weil die ausländischen Konzerne knallhart die höhere Kaufkraft der Schweizer Bevölkerung abschöpfen. Wenn nun neu wenigstens ein kleiner Teil davon im Inland reinvestiert werden müsste, ginge auch dieser "Schweiz-Zuschlag" nicht gänzlich ins Ausland verloren. Dagegen kann nun wirklich niemand etwas haben.
Internetriesen nicht weiter nur schalten und walten lassen
Zwar sind die 18 Millionen Franken, welche durch die Änderung des Filmgesetzes schätzungsweise zusammenkommen sollen, eine äusserst bescheidene Summe (zum Vergleich: das entspricht gerade mal 15 Prozent des Budgets des neusten "James Bond", exklusive Werbekosten). Doch geht es dabei auch um eine Grundsatzfrage: Sollen ausländische Plattform-Unternehmen (heissen sie nun Facebook, Zalando, Netflix oder Smood) in der Schweiz zügellos Profite generieren und abziehen können, oder stellen wir, wo nötig, neue Regeln auf, um auch diese Firmen in die Realwirtschaft und damit in die Verantwortung für sichere Arbeitsplätze und gute Arbeitsbedingungen einzubinden. Wir Gewerkschaften wollen Letzteres – und sagen auch deshalb am 15. Mai Ja zur Revision des Filmgesetzes.