Stethoskop liegt auf Frankenscheinen

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EFAS: Eine Scheinreform mit hohem Schadenspotenzial

  • Gesundheit
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Verfasst durch Reto Wyss

Einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Versorgung: eine vordergründig gute Idee, die viel Schaden anrichten wird

Was lange reift, schmeckt nicht unbedingt besser. Dies trifft definitiv auf die KVG-Revision «EFAS» zu, welche auf einen bereits im Jahr 2009 eingereichten Vorstoss zurückgeht. Nun, 14 Jahre später, kommt die Revision erneut in die Gesundheitskommission des Nationalrats. Sie hat hohes Schadenpotenzial und muss dringend abgelehnt werden.

Das Gesundheitswesen befindet sich heute sowohl in einer gravierenden Versorgungs- als auch in einer anhaltenden Finanzierungskrise. Einerseits mangelt es immer mehr an Personal und Medikamenten und andererseits können breite Bevölkerungsschichten die hohen und weiter steigenden Kopfprämien und Zusatzkosten kaum mehr bezahlen. Vor diesem Hintergrund präsentiert die Versicherungslobby heute ihr Projekt der «Einheitlichen Finanzierung ambulant/stationär (EFAS)» als den grossen Wurf, welcher viele der im Gesundheitswesen vorhandenen Missstände an den Wurzeln packen soll. Schön wäre es – EFAS ist aber leider vielmehr eine Scheinreform mit hohem Schadenspotenzial.

Geld weg, Steuerung auch

Verkürzt gesagt ist EFAS nichts anderes als eine Teilprivatisierung der Grundversicherung, denn mit dieser Vorlage würden letztlich einfach die rund 11 Milliarden Franken Steuergelder, welche die Kantone heute für die Spitäler ausgeben, den Versicherern übertragen. Diese sollen die Gelder dann über die bereits existierende «Gemeinsame Einrichtung KVG» (in welcher die Kantone lediglich beratend Einsitz nehmen dürften) nach einem national einheitlichen Verteilungsschlüssel in sämtlichen Versorgungsbereichen verteilen. Die Steuerungsmacht der Kassen würde also stark zunehmen (wer zahlt, befiehlt!) – zu Lasten der dazu demokratisch legitimierten Kantone, die für die vielen Milliarden noch nicht einmal Leistungsaufträge formulieren dürften (wie sonst überall im Service public üblich).

Wesentliche Fehlanreize bleiben

Natürlich ist es unsinnig, dass ambulante Behandlungen heute anders finanziert werden als stationäre Eingriffe (an Letzteren beteiligt sich der Kanton zu 55 Prozent, an Ersteren gar nicht). Die simple Aufhebung dieses Unterschieds würde aber nichts daran ändern, dass die existierenden und unveränderten Tarifsysteme weiterhin teure Überversorgung (lukrative Eingriffe lohnen sich) und nicht minder teure Unterversorgung produzieren. Und was uns alle am meisten kostet, ist die Überversorgung in der Zusatzversicherung: Dort lohnt sich das Geschäft sowohl für die Kassen als auch für die Privatspitäler, denn Gewinne dürfen einbehalten werden.

Deshalb wird erwiesenermassen zu viel behandelt, und danach zum Grossteil über die Grundversicherung abgerechnet. Ein andauernder Skandal, an dem sich mit EFAS rein gar nichts ändern würde. Im Gegenteil: In der ersten Version des Nationalrats würde EFAS den Privatspitälern sogar ein weiteres Geschenk von hunderten von Millionen Franken machen, denn sie erhielten neu eine um 30 Prozent höhere Abgeltung.

Langzeitpflege: Wilder Westen und höhere Prämien

Ebenfalls besonders unverständlich: Im Gegensatz zum Nationalrat hat der Ständerat auch die Langzeitpflege in die einheitliche Finanzierung miteingebaut. Konkret bedeutet dies, dass genau jener Versorgungsbereich, der heute – aufgrund der gesellschaftlichen Alterung – am schnellsten wächst, neu vollumfänglich durch die Prämien mitfinanziert würde. Denn die heute vorhandene Deckelung des Prämienbeitrags in der Langzeitpflege – eine der wenigen wirksamen Schranken gegen das Prämienwachstum – wurde vom Ständerat komplett aus dem Gesetz gestrichen. Das ist so nicht hinnehmbar und ein Affront gegenüber den Haushalten mit tiefen und mittleren Einkommen, welche chronisch unter einer viel zu hohen und beständig weiter steigenden Prämienlast leiden.

Es ist aber auch ein Affront gegenüber dem Gesundheitspersonal und den PatientInnen: Heute sind die Kantone per Gesetz für die sogenannte Restfinanzierung von Pflegeheimen und Spitex zuständig, und da läuft viel schief. Die Kantone bezahlen erwiesenermassen chronisch zu wenig, was die Heime durch steigenden Druck auf das Personal und – manchmal widerrechtlich – hohe Kostenbeteiligungen der PatientInnen zu kompensieren versuchen. Doch anstatt diese Missstände zu beheben und für die Einhaltung des Gesetzes zu sorgen, will der Ständerat die entsprechenden Artikel einfach komplett aus dem Gesetz streichen. Das Resultat wäre ein wilder Westen in der Pflegefinanzierung, und nach den Leidtragenden müsste man nicht lange suchen: Es wären erneut die PatientInnen und das Personal. Das Perfide daran ist, dass die Langzeitpflege insbesondere auf Druck der Kantone in die Reform eingebaut wurde. Denn die Kantone würden damit längerfristig finanziell besser fahren – zu Lasten der PrämienzahlerInnen!

Kostenbeteiligung hoch, Prämienverbilligung runter

Mit EFAS droht den Versicherten aber nicht nur ein Prämiensprung, auch die Kostenbeteiligung würde steigen. Denn einerseits soll in der Langzeitpflege die aktuelle Deckelung des PatientInnenbeitrags gemäss Gesetzestext explizit nur noch fünf Jahre lang gelten und andererseits würden bei stationären Spitalaufenthalten neu die gesamten Behandlungskosten mit der Franchise und dem Selbstbehalt verrechnet (heute ist es nur knapp die Hälfte).

Dazu kommt: Der Kern von EFAS, ein national einheitlicher Finanzierungsschlüssel, bedeutet für jeden einzelnen Kanton, dass er seinen heute gültigen Finanzierungsschlüssel an den Schweizer Durchschnitt anpassen müsste. Dies entweder durch eine Erhöhung der Prämien (schon wieder!) oder durch eine Erhöhung der Steuerausgaben. Und auch höhere Steuerausgaben könnten schnell zu höheren Prämien führen. Denn einer der ersten Bereiche, wo seitens der Kantone bei Mehrausgaben gemeinhin gespart wird, sind die Prämienverbilligungen für bedürftige Haushalte – das hat die Vergangenheit zur Genüge gezeigt.

Leeres Sparversprechen

Um gar nicht erst im Detail über die vielen oben geschilderten Abwegigkeiten ihrer Reform sprechen zu müssen, verweisen viele EFAS-BefürworterInnen oft einfach auf die Hunderte von Millionen von Franken, welche sich mit ihrem Projekt einsparen liessen. Auch dies eine völlig leere Behauptung, denn es gibt keine einzige Untersuchung und damit auch keine erhärteten Zahlen zu möglichen Einsparungen von EFAS. Im Kleingedruckten ist man deshalb auch ehrlicher, so schreibt der Krankenkassenverband Santésuisse wortwörtlich: «EFAS löst das grundlegende Problem der übermässig steigenden Kosten im Gesundheitswesen nicht.»

Damit ist vieles gesagt, und eines klar: EFAS muss vom Parlament gestoppt werden. Stattdessen sollte sich die Gesundheitspolitik endlich auf das Wesentliche und Dringende konzentrieren: eine Stärkung der Versorgung (insbesondere durch eine Besserstellung des Personals), wirksame Kostendämpfungen (insbesondere durch tiefere Medikamentenpreise, eine Reform der Tarifsysteme und die Stilllegung der Geschäftemacherei in der Zusatzversicherung) sowie eine soziale Finanzierung durch substanziell höhere Prämienverbilligungen.

Zuständig beim SGB

Reto Wyss

Zentralsekretär

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Reto Wyss
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