Zu lascher Kündigungsschutz: Schweiz auf schwarzer Liste der UNO

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Medienmitteilung

Rüge der Internationalen Arbeitsorganisation ILO

Die Schweiz gerät kurz vor der 100-Jahr-Feier der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) unter Druck. Sie soll schärfer gegen missbräuchliche Kündigungen von gewerkschaftlich aktiven Arbeitnehmenden, Mitgliedern von Personalkommissionen oder StiftungsrätInnen in Pensionskassen vorgehen. Die ILO hat die Schweiz auf eine Schwarze Liste mit den 40 bedenklichsten Fällen von Verletzungen der ILO-Konventionen gesetzt. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) fordert Bundesrat und Parlament auf, nun rasch Abhilfe zu schaffen.

Konkret wird der Schweiz vorgeworfen, die Menschenrechte beim Kündigungsschutzes von gewerkschaftlich aktiven Arbeitnehmenden zu verletzen, die von der ILO-Konvention 98 geschützt werden, welche die Schweiz ratifiziert hat. Bereits 2004 hatte die ILO gegenüber dem Bundesrat festgehalten, dass die im Obligationenrecht (Art. 336a Abs 2) vorgesehene maximale Entschädigung von sechs Monatslöhnen bei missbräuchlicher Kündigung nicht genügend abschreckend wirke. Vielmehr könne so Arbeitnehmenden missbräuchlich gekündigt werden, um sie mundtot zu machen. Wie Studien zeigen, werden die fehlbaren Arbeitgeber meist nur zur Zahlung von 2-3 Monatslöhnen verurteilt. Das bezahlen sie dann aus der Portokasse.

Die ILO verlangte damals von der Schweiz, die maximal mögliche Entschädigung auf mindestens 12 Monatslöhne hinaufzusetzen sowie für extreme Fälle auch die Wiedereinstellung vorzusehen. Passiert ist seither nichts. In der Schweiz wird unbequemen Mitarbeitenden, die ihre gesetzlichen und verfassungsmässigen Rechte ausüben und deshalb den Arbeitgeber stören, immer noch sang- und klanglos gekündigt. Die Vorlage des Bundesrats zu Whistleblowing hätte die Situation nicht verbessert, sondern im Gegenteil sogar verschlimmert. Das erklärte eine ILO-Vertreterin an einem Hearing der für die Vorlage zuständigen Rechtskommission des Nationalrats (RK). Erfreulich ist, dass die Kommission diese Einschätzung ernst nahm und nun die Vorlage versenken will.

Der Handlungsbedarf aber bleibt: es darf nicht sein, dass die Schweiz von ihr ratifizierte Menschenrechte und ILO-Empfehlungen jahrzehntelang ignoriert. Jetzt kommt die Quittung, und das ausgerechnet im Jahr, in dem die ILO ihr 100-Jahre-Jubiläum in Genf feiert und sich die Schweiz das Präsidium für die im Juni stattfindende ILO-Jubiläumskonferenz innehat.

Dass die Schweiz auf die Schwarze Liste gekommen ist, ist eine Blamage. Siebefindet sich damit in Gesellschaft von Ländern wie Sierra Leone, Tadschikistan und Weissrussland. Es ist nun definitiv Zeit für Bundesrat und Parlament, über die Bücher zu gehen.

AUSKÜNFTE:
  • Luca Cirigliano, SGB-Zentralsekretär, 076 335 61 97
  • Thomas Zimmermann, Leiter Kommunikation SGB, 079 249 59 74
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